Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.stumme Sprache der Trostlosigkeit, die sagen wollte: ſtumme Sprache der Troſtloſigkeit, die ſagen wollte: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0101" n="91"/> ſtumme Sprache der Troſtloſigkeit, die ſagen wollte:<lb/> »ich haſſe mein gequaͤltes Ich und ich moͤcht' es<lb/> »zermalmen wie meinen Namen hier: fuͤr wen ſoll<lb/> »er?» — Das riß Blut aus Viktors Herzen und<lb/> weggekehrte Thraͤnen aus ſeinem Auge und er nahm<lb/> ſanft die lang entzogne Hand, um ihn wegzufuͤhren<lb/> vom Selbſtmorde des Namens. Aber Flamin drehte<lb/> ſein zuckendes Angeſicht ſeitwaͤrts nach dem waͤchſer¬<lb/> nen Schatten ſeines Freundes und ſah, ſtarr abge¬<lb/> kruͤmmt, hinauf. — »Beſter Flamin!» — ſagte<lb/> Viktor mit dem ſchoͤnſten geruͤhrteſten Laute und<lb/> druͤckte die brennende Hand. Da riß ſie Flamin<lb/> aus ſeiner heraus und ſtieß mit den zwei Handbal¬<lb/> len die Thraͤnentropfen in die Augen zuruͤck — und<lb/> athmete laut — und ſagte erſtickt: Viktor! — und<lb/> wandte ſich mit großen Thraͤnen um und ſagte noch<lb/> dumpfer: liebe mich wieder! — Und ſie ſtuͤrzten<lb/> zuſammen und Viktor antwortete: »ewig und ewig<lb/> lieb' ich dich, du haſt mich ja nie beleidigt» — und<lb/> Flamin ſtammelte gluͤhend und ſterbend: »nimm nur<lb/> »meine Geliebte und bleibe mein Freund» — Und<lb/> Viktor konnte lange nicht reden und ihre Wangen<lb/> und ihre Thraͤnen brannten vereinigt aneinander bis<lb/> er endlich ſagen konnte: »o du! o du! du edler<lb/> Menſch! Aber du irreſt dich irgendwo! — Nun<lb/> verlaſſen wir uns nicht mehr, nun wollen wir ewig<lb/> ſo bleiben. — Ach wie unausſprechlich wer¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [91/0101]
ſtumme Sprache der Troſtloſigkeit, die ſagen wollte:
»ich haſſe mein gequaͤltes Ich und ich moͤcht' es
»zermalmen wie meinen Namen hier: fuͤr wen ſoll
»er?» — Das riß Blut aus Viktors Herzen und
weggekehrte Thraͤnen aus ſeinem Auge und er nahm
ſanft die lang entzogne Hand, um ihn wegzufuͤhren
vom Selbſtmorde des Namens. Aber Flamin drehte
ſein zuckendes Angeſicht ſeitwaͤrts nach dem waͤchſer¬
nen Schatten ſeines Freundes und ſah, ſtarr abge¬
kruͤmmt, hinauf. — »Beſter Flamin!» — ſagte
Viktor mit dem ſchoͤnſten geruͤhrteſten Laute und
druͤckte die brennende Hand. Da riß ſie Flamin
aus ſeiner heraus und ſtieß mit den zwei Handbal¬
len die Thraͤnentropfen in die Augen zuruͤck — und
athmete laut — und ſagte erſtickt: Viktor! — und
wandte ſich mit großen Thraͤnen um und ſagte noch
dumpfer: liebe mich wieder! — Und ſie ſtuͤrzten
zuſammen und Viktor antwortete: »ewig und ewig
lieb' ich dich, du haſt mich ja nie beleidigt» — und
Flamin ſtammelte gluͤhend und ſterbend: »nimm nur
»meine Geliebte und bleibe mein Freund» — Und
Viktor konnte lange nicht reden und ihre Wangen
und ihre Thraͤnen brannten vereinigt aneinander bis
er endlich ſagen konnte: »o du! o du! du edler
Menſch! Aber du irreſt dich irgendwo! — Nun
verlaſſen wir uns nicht mehr, nun wollen wir ewig
ſo bleiben. — Ach wie unausſprechlich wer¬
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