belehnten, denen man das Maienthal mit allen sei¬ nen poetischen Nutznießungen zu Lehn giebt, nament¬ lich alte Saalbader ausstoße, die den Rittersprung der Phantasie nicht mehr thun können. -- 47 Schee¬ rauer und 103 Flachsenfinger, deren Herzen so kalt sind wie ihre Kniescheiben oder wie Hundsschnautzen -- die grösten Minister und andere Große, an de¬ nen wie an großen gebratnen Fleischklumpen blos die Mitte noch roh ist, nämlich das Herz -- 1/2 Bil¬ lion Oekonomen, Juristen, Kammer- und Finanzräthe und Plus- d. h. Minusmacher, in denen die Seele wie an Adam der Leib aus einem Erdenkloße geknä¬ tet worden, die einen Herzbeutel haben aber kein Herz, Gehirnhäute ohne Gehirn, Pfiffigkeit ohne Philosophie, die statt des Buchs der Natur nur ih¬ re Manualakten und Steuerbücher lesen -- endlich die, die nicht Feuer genug haben, um vor dem Feuer der Liebe, der Dichtkunst, der Religion zu entbrennen, die statt weinen, greinen sagen, statt dichten, reimen, statt empfinden, rasen. . . .
Bin ich denn toll, daß ich mich hier so erboße, als wenn ich nicht auf der andern Seite das schön¬ ste Leser-Kollegium, das ich zum primus adquirens des Maienthalischen Männer- und Kunkellehns er¬ hebe, vor mir hätte; eine mystische moralische Per¬ son, die es einsieht, daß der Nutzen nur eine nie¬ drigere Schönheit und die Schönheit ein höherer
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belehnten, denen man das Maienthal mit allen ſei¬ nen poetiſchen Nutznießungen zu Lehn giebt, nament¬ lich alte Saalbader ausſtoße, die den Ritterſprung der Phantaſie nicht mehr thun koͤnnen. — 47 Schee¬ rauer und 103 Flachſenfinger, deren Herzen ſo kalt ſind wie ihre Knieſcheiben oder wie Hundsſchnautzen — die groͤſten Miniſter und andere Große, an de¬ nen wie an großen gebratnen Fleiſchklumpen blos die Mitte noch roh iſt, naͤmlich das Herz — ½ Bil¬ lion Oekonomen, Juriſten, Kammer- und Finanzraͤthe und Plus- d. h. Minusmacher, in denen die Seele wie an Adam der Leib aus einem Erdenkloße geknaͤ¬ tet worden, die einen Herzbeutel haben aber kein Herz, Gehirnhaͤute ohne Gehirn, Pfiffigkeit ohne Philoſophie, die ſtatt des Buchs der Natur nur ih¬ re Manualakten und Steuerbuͤcher leſen — endlich die, die nicht Feuer genug haben, um vor dem Feuer der Liebe, der Dichtkunſt, der Religion zu entbrennen, die ſtatt weinen, greinen ſagen, ſtatt dichten, reimen, ſtatt empfinden, raſen. . . .
Bin ich denn toll, daß ich mich hier ſo erboße, als wenn ich nicht auf der andern Seite das ſchoͤn¬ ſte Leſer-Kollegium, das ich zum primus adquirens des Maienthaliſchen Maͤnner- und Kunkellehns er¬ hebe, vor mir haͤtte; eine myſtiſche moraliſche Per¬ ſon, die es einſieht, daß der Nutzen nur eine nie¬ drigere Schoͤnheit und die Schoͤnheit ein hoͤherer
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belehnten, denen man das Maienthal mit allen ſei¬
nen poetiſchen Nutznießungen zu Lehn giebt, nament¬
lich alte Saalbader ausſtoße, die den Ritterſprung
der Phantaſie nicht mehr thun koͤnnen. — 47 Schee¬
rauer und 103 Flachſenfinger, deren Herzen ſo kalt
ſind wie ihre Knieſcheiben oder wie Hundsſchnautzen
— die groͤſten Miniſter und andere Große, an de¬
nen wie an großen gebratnen Fleiſchklumpen blos
die Mitte noch roh iſt, naͤmlich das Herz — ½ Bil¬
lion Oekonomen, Juriſten, Kammer- und Finanzraͤthe
und Plus- d. h. Minusmacher, in denen die Seele
wie an Adam der Leib aus einem Erdenkloße geknaͤ¬
tet worden, die einen Herzbeutel haben aber kein
Herz, Gehirnhaͤute ohne Gehirn, Pfiffigkeit ohne
Philoſophie, die ſtatt des Buchs der Natur nur ih¬
re Manualakten und Steuerbuͤcher leſen — endlich
die, die nicht Feuer genug haben, um vor dem
Feuer der Liebe, der Dichtkunſt, der Religion zu
entbrennen, die ſtatt weinen, greinen ſagen, ſtatt
dichten, reimen, ſtatt empfinden, raſen. . . .
Bin ich denn toll, daß ich mich hier ſo erboße,
als wenn ich nicht auf der andern Seite das ſchoͤn¬
ſte Leſer-Kollegium, das ich zum primus adquirens
des Maienthaliſchen Maͤnner- und Kunkellehns er¬
hebe, vor mir haͤtte; eine myſtiſche moraliſche Per¬
ſon, die es einſieht, daß der Nutzen nur eine nie¬
drigere Schoͤnheit und die Schoͤnheit ein hoͤherer
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/125>, abgerufen am 23.11.2024.
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