seinen Vorsatz fester, sein jetziges Leben dem zwei¬ ten nach dem Tode als einen stillen, kühlen, gestirn¬ ten Frühlingsmorgen vorauszuschicken.
"Bei euch schwör' ich -- sagt' er, als nach und "nach immer mehr Lerchen aus ihrem Thau mit "Singen in die kanonische Hora stiegen -- ich will, "sogar in der Freude gelassen bleiben ganze dreißig "Jahre lang in einem fort, wenigstens drei ganze "Pfingsttage -- ich will ein Universitäts- und Haus¬ "freund, aber nicht ein pastor fido der Freude seyn "-- Handelt nicht der Mensch, als müßte sein Le¬ "benssteig eine Brücke zusammengeschobener Honig¬ "waben seyn, durch die er Motten-artig sich durch¬ "zukäuen habe, als wären seine Hände nur zwei Zu¬ "ckerzangen der Lust? -- Ich will wieder meinen "Freuden und meinen Schmerzen den Scherz als ei¬ "nen Zaum anlegen. -- Die warmen Thränen der "Melancholie, besonders die der Entzückung, eine "Art heisser Dämpfe die stärker treiben und zersetzen "als Schießpulver und papinianische Maschinen, will "ich wohl noch vergießen, aber vorher ein wenig "kühlen. -- Und wenn ich Klotilde nicht jeden Vor¬ "mittag ansichtig werde: so will ich blos sagen: ein "Mensch kann nicht immer im dritten Himmel seyn, "er muß auch manchmal im ersten übernachten." -- -- Er hat vielleicht mehr Recht als Kraft: aber es ist wahr, die Gesundheit des Herzens entfernet
ſeinen Vorſatz feſter, ſein jetziges Leben dem zwei¬ ten nach dem Tode als einen ſtillen, kuͤhlen, geſtirn¬ ten Fruͤhlingsmorgen vorauszuſchicken.
»Bei euch ſchwoͤr' ich — ſagt' er, als nach und »nach immer mehr Lerchen aus ihrem Thau mit »Singen in die kanoniſche Hora ſtiegen — ich will, »ſogar in der Freude gelaſſen bleiben ganze dreißig »Jahre lang in einem fort, wenigſtens drei ganze »Pfingſttage — ich will ein Univerſitaͤts– und Haus¬ »freund, aber nicht ein pastor fido der Freude ſeyn »— Handelt nicht der Menſch, als muͤßte ſein Le¬ »bensſteig eine Bruͤcke zuſammengeſchobener Honig¬ »waben ſeyn, durch die er Motten-artig ſich durch¬ »zukaͤuen habe, als waͤren ſeine Haͤnde nur zwei Zu¬ »ckerzangen der Luſt? — Ich will wieder meinen »Freuden und meinen Schmerzen den Scherz als ei¬ »nen Zaum anlegen. — Die warmen Thraͤnen der »Melancholie, beſonders die der Entzuͤckung, eine »Art heiſſer Daͤmpfe die ſtaͤrker treiben und zerſetzen »als Schießpulver und papinianiſche Maſchinen, will »ich wohl noch vergießen, aber vorher ein wenig »kuͤhlen. — Und wenn ich Klotilde nicht jeden Vor¬ »mittag anſichtig werde: ſo will ich blos ſagen: ein »Menſch kann nicht immer im dritten Himmel ſeyn, »er muß auch manchmal im erſten uͤbernachten.» — — Er hat vielleicht mehr Recht als Kraft: aber es iſt wahr, die Geſundheit des Herzens entfernet
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ſeinen Vorſatz feſter, ſein jetziges Leben dem zwei¬
ten nach dem Tode als einen ſtillen, kuͤhlen, geſtirn¬
ten Fruͤhlingsmorgen vorauszuſchicken.
»Bei euch ſchwoͤr' ich — ſagt' er, als nach und
»nach immer mehr Lerchen aus ihrem Thau mit
»Singen in die kanoniſche Hora ſtiegen — ich will,
»ſogar in der Freude gelaſſen bleiben ganze dreißig
»Jahre lang in einem fort, wenigſtens drei ganze
»Pfingſttage — ich will ein Univerſitaͤts– und Haus¬
»freund, aber nicht ein pastor fido der Freude ſeyn
»— Handelt nicht der Menſch, als muͤßte ſein Le¬
»bensſteig eine Bruͤcke zuſammengeſchobener Honig¬
»waben ſeyn, durch die er Motten-artig ſich durch¬
»zukaͤuen habe, als waͤren ſeine Haͤnde nur zwei Zu¬
»ckerzangen der Luſt? — Ich will wieder meinen
»Freuden und meinen Schmerzen den Scherz als ei¬
»nen Zaum anlegen. — Die warmen Thraͤnen der
»Melancholie, beſonders die der Entzuͤckung, eine
»Art heiſſer Daͤmpfe die ſtaͤrker treiben und zerſetzen
»als Schießpulver und papinianiſche Maſchinen, will
»ich wohl noch vergießen, aber vorher ein wenig
»kuͤhlen. — Und wenn ich Klotilde nicht jeden Vor¬
»mittag anſichtig werde: ſo will ich blos ſagen: ein
»Menſch kann nicht immer im dritten Himmel ſeyn,
»er muß auch manchmal im erſten uͤbernachten.»
— — Er hat vielleicht mehr Recht als Kraft: aber
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/129>, abgerufen am 17.02.2025.
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