Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

einander sanken, so war es als ob alle Blumenbeete
sich vor Wonne niederbögen, als ob alle Wellen
weisser flammten unter darüber fliegenden überirdi¬
schen Blitzen, als ob die Zephyre von Seufzern der
Liebe anschwöllen, als ob höhere Wesen im freudi¬
gen Uebermaße flüstern müßten: ach, ihr guten Men¬
schen, liebet ja ganz wie wir! --

Ein Arm aus einem Paradiesesfluße trug diese
liebende Dreieinigkeit hebend in die übergrünten
Zimmer und hier sah erst Viktor, daß der Früh¬
ling auf Dahores Wangen war und der Sommer
in seinen Augen, so wie zwölf Wonnemonate in sei¬
nem Herzen. Die weissen Trauerrosen auf seinen
Wangen, die immer als Mauerkronen des
Todes dem Johannistage entgegenzublühen schie¬
nen, waren den rothen gewichen -- kurz Ema¬
nuels Gestalt gab die Hoffnung, daß er über
seinen Tod ein falscher Prophet gewesen sey. -- --

In diesem wehenden Zimmer, dessen goldne Wand¬
leisten Lindenäste und dessen Hautelissen Lindenblätter
und über dessen Thür als dessus de porte der Wie¬
derschein und die Nebensonnen des schimmernden Wasser¬
rades zitterten, in diesem vom Wonnemeer der Natur
umbrauseten Eiland von Zimmer, durch dessen ofne
Fenster die Zephyre Schmetterlinge und Bienen über

die

einander ſanken, ſo war es als ob alle Blumenbeete
ſich vor Wonne niederboͤgen, als ob alle Wellen
weiſſer flammten unter daruͤber fliegenden uͤberirdi¬
ſchen Blitzen, als ob die Zephyre von Seufzern der
Liebe anſchwoͤllen, als ob hoͤhere Weſen im freudi¬
gen Uebermaße fluͤſtern muͤßten: ach, ihr guten Men¬
ſchen, liebet ja ganz wie wir! —

Ein Arm aus einem Paradieſesfluße trug dieſe
liebende Dreieinigkeit hebend in die uͤbergruͤnten
Zimmer und hier ſah erſt Viktor, daß der Fruͤh¬
ling auf Dahores Wangen war und der Sommer
in ſeinen Augen, ſo wie zwoͤlf Wonnemonate in ſei¬
nem Herzen. Die weiſſen Trauerroſen auf ſeinen
Wangen, die immer als Mauerkronen des
Todes dem Johannistage entgegenzubluͤhen ſchie¬
nen, waren den rothen gewichen — kurz Ema¬
nuels Geſtalt gab die Hoffnung, daß er uͤber
ſeinen Tod ein falſcher Prophet geweſen ſey. — —

In dieſem wehenden Zimmer, deſſen goldne Wand¬
leiſten Lindenaͤſte und deſſen Hauteliſſen Lindenblaͤtter
und uͤber deſſen Thuͤr als dessus de porte der Wie¬
derſchein und die Nebenſonnen des ſchimmernden Waſſer¬
rades zitterten, in dieſem vom Wonnemeer der Natur
umbrauſeten Eiland von Zimmer, durch deſſen ofne
Fenſter die Zephyre Schmetterlinge und Bienen uͤber

die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0138" n="128"/>
einander &#x017F;anken, &#x017F;o war es als ob alle Blumenbeete<lb/>
&#x017F;ich vor Wonne niederbo&#x0364;gen, als ob alle Wellen<lb/>
wei&#x017F;&#x017F;er flammten unter daru&#x0364;ber fliegenden u&#x0364;berirdi¬<lb/>
&#x017F;chen Blitzen, als ob die Zephyre von Seufzern der<lb/>
Liebe an&#x017F;chwo&#x0364;llen, als ob ho&#x0364;here We&#x017F;en im freudi¬<lb/>
gen Uebermaße flu&#x0364;&#x017F;tern mu&#x0364;ßten: ach, ihr guten Men¬<lb/>
&#x017F;chen, liebet ja ganz wie wir! &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ein Arm aus einem Paradie&#x017F;esfluße trug die&#x017F;e<lb/>
liebende Dreieinigkeit hebend in die u&#x0364;bergru&#x0364;nten<lb/>
Zimmer und hier &#x017F;ah er&#x017F;t Viktor, daß der Fru&#x0364;<lb/>
ling auf Dahores Wangen war und der Sommer<lb/>
in &#x017F;einen Augen, &#x017F;o wie zwo&#x0364;lf Wonnemonate in &#x017F;ei¬<lb/>
nem Herzen. Die wei&#x017F;&#x017F;en Trauerro&#x017F;en auf &#x017F;einen<lb/>
Wangen, die immer als <hi rendition="#g">Mauerkronen</hi> des<lb/>
Todes dem Johannistage entgegenzublu&#x0364;hen &#x017F;chie¬<lb/>
nen, waren den rothen gewichen &#x2014; kurz Ema¬<lb/>
nuels Ge&#x017F;talt gab die Hoffnung, daß er u&#x0364;ber<lb/>
&#x017F;einen Tod ein fal&#x017F;cher Prophet gewe&#x017F;en &#x017F;ey. &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p>In die&#x017F;em wehenden Zimmer, de&#x017F;&#x017F;en goldne Wand¬<lb/>
lei&#x017F;ten Lindena&#x0364;&#x017F;te und de&#x017F;&#x017F;en Hauteli&#x017F;&#x017F;en Lindenbla&#x0364;tter<lb/>
und u&#x0364;ber de&#x017F;&#x017F;en Thu&#x0364;r als <hi rendition="#aq">dessus de porte</hi> der Wie¬<lb/>
der&#x017F;chein und die Neben&#x017F;onnen des &#x017F;chimmernden Wa&#x017F;&#x017F;er¬<lb/>
rades zitterten, in die&#x017F;em vom Wonnemeer der Natur<lb/>
umbrau&#x017F;eten Eiland von Zimmer, durch de&#x017F;&#x017F;en ofne<lb/>
Fen&#x017F;ter die Zephyre Schmetterlinge und Bienen u&#x0364;ber<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0138] einander ſanken, ſo war es als ob alle Blumenbeete ſich vor Wonne niederboͤgen, als ob alle Wellen weiſſer flammten unter daruͤber fliegenden uͤberirdi¬ ſchen Blitzen, als ob die Zephyre von Seufzern der Liebe anſchwoͤllen, als ob hoͤhere Weſen im freudi¬ gen Uebermaße fluͤſtern muͤßten: ach, ihr guten Men¬ ſchen, liebet ja ganz wie wir! — Ein Arm aus einem Paradieſesfluße trug dieſe liebende Dreieinigkeit hebend in die uͤbergruͤnten Zimmer und hier ſah erſt Viktor, daß der Fruͤh¬ ling auf Dahores Wangen war und der Sommer in ſeinen Augen, ſo wie zwoͤlf Wonnemonate in ſei¬ nem Herzen. Die weiſſen Trauerroſen auf ſeinen Wangen, die immer als Mauerkronen des Todes dem Johannistage entgegenzubluͤhen ſchie¬ nen, waren den rothen gewichen — kurz Ema¬ nuels Geſtalt gab die Hoffnung, daß er uͤber ſeinen Tod ein falſcher Prophet geweſen ſey. — — In dieſem wehenden Zimmer, deſſen goldne Wand¬ leiſten Lindenaͤſte und deſſen Hauteliſſen Lindenblaͤtter und uͤber deſſen Thuͤr als dessus de porte der Wie¬ derſchein und die Nebenſonnen des ſchimmernden Waſſer¬ rades zitterten, in dieſem vom Wonnemeer der Natur umbrauſeten Eiland von Zimmer, durch deſſen ofne Fenſter die Zephyre Schmetterlinge und Bienen uͤber die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/138
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/138>, abgerufen am 27.11.2024.