Verstand gar nicht; wenigstens verspricht sich solche Treffer einer nicht, der sich wie ich hinsetzt und erwägt unsre Kolibrimägen -- unsere weiche Raupenhaut -- unser klingendes Gehör -- unsere Selbstzünder von Augen -- und unsere culs de Paris, die nicht von einem umgestülpten Rosenblatt sondern schon vom Schatten eines Dornes gestochen werden -- und unsern Teint, der ohne ein Paralüne schwarz würde im Mondenschein. . . . . . Und doch hab' ich in diese Rechnung unserer Leiden -- weil ich mit Fleiß darauf ausbin, sie kleiner zu machen -- noch mit keinem Worte ganz andere, ganz verdammte Po¬ sten gebracht, sondern z. B. den Reichthum völlig ausgelassen, dieses Schmerzengeld so vieler tausend Schrammen und Exfoliarionen der Brust, und über¬ haupt Millionen Seelenwunden, die unser durchlö¬ chertes Ich ganz durchsichtig machen würden, wär' es nicht zum Glück ganz bis auf den Fuß in engli¬ sches Taftpflaster gekleidet. . . . Aber ich ließ das weg, weil ich wußte, es wäre doch so gut wie nichts, wenn ich's gegen ein ganz anderes Fegfeuer und Ge¬ witter hielte, in das vorzüglich wir Mannspersonen geworfen werden, wenn wir so unglücklich sind, daß wir uns selber kielholen -- nämlich uns verlieben, welches meines wenigen Erachtens ein geringer Vorschmack der Hölle ist so wie des Himmels. Die beste Peereß in diesem Fache schreib' an mich und
Verſtand gar nicht; wenigſtens verſpricht ſich ſolche Treffer einer nicht, der ſich wie ich hinſetzt und erwaͤgt unſre Kolibrimaͤgen — unſere weiche Raupenhaut — unſer klingendes Gehoͤr — unſere Selbſtzuͤnder von Augen — und unſere culs de Paris, die nicht von einem umgeſtuͤlpten Roſenblatt ſondern ſchon vom Schatten eines Dornes geſtochen werden — und unſern Teint, der ohne ein Paraluͤne ſchwarz wuͤrde im Mondenſchein. . . . . . Und doch hab' ich in dieſe Rechnung unſerer Leiden — weil ich mit Fleiß darauf ausbin, ſie kleiner zu machen — noch mit keinem Worte ganz andere, ganz verdammte Po¬ ſten gebracht, ſondern z. B. den Reichthum voͤllig ausgelaſſen, dieſes Schmerzengeld ſo vieler tauſend Schrammen und Exfoliarionen der Bruſt, und uͤber¬ haupt Millionen Seelenwunden, die unſer durchloͤ¬ chertes Ich ganz durchſichtig machen wuͤrden, waͤr' es nicht zum Gluͤck ganz bis auf den Fuß in engli¬ ſches Taftpflaſter gekleidet. . . . Aber ich ließ das weg, weil ich wußte, es waͤre doch ſo gut wie nichts, wenn ich's gegen ein ganz anderes Fegfeuer und Ge¬ witter hielte, in das vorzuͤglich wir Mannsperſonen geworfen werden, wenn wir ſo ungluͤcklich ſind, daß wir uns ſelber kielholen — naͤmlich uns verlieben, welches meines wenigen Erachtens ein geringer Vorſchmack der Hoͤlle iſt ſo wie des Himmels. Die beſte Peereß in dieſem Fache ſchreib' an mich und
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[5/0015]
Verſtand gar nicht; wenigſtens verſpricht ſich
ſolche Treffer einer nicht, der ſich wie ich hinſetzt
und erwaͤgt unſre Kolibrimaͤgen — unſere weiche
Raupenhaut — unſer klingendes Gehoͤr — unſere
Selbſtzuͤnder von Augen — und unſere culs de Paris,
die nicht von einem umgeſtuͤlpten Roſenblatt ſondern
ſchon vom Schatten eines Dornes geſtochen werden
— und unſern Teint, der ohne ein Paraluͤne ſchwarz
wuͤrde im Mondenſchein. . . . . . Und doch hab' ich
in dieſe Rechnung unſerer Leiden — weil ich mit
Fleiß darauf ausbin, ſie kleiner zu machen — noch
mit keinem Worte ganz andere, ganz verdammte Po¬
ſten gebracht, ſondern z. B. den Reichthum voͤllig
ausgelaſſen, dieſes Schmerzengeld ſo vieler tauſend
Schrammen und Exfoliarionen der Bruſt, und uͤber¬
haupt Millionen Seelenwunden, die unſer durchloͤ¬
chertes Ich ganz durchſichtig machen wuͤrden, waͤr'
es nicht zum Gluͤck ganz bis auf den Fuß in engli¬
ſches Taftpflaſter gekleidet. . . . Aber ich ließ das
weg, weil ich wußte, es waͤre doch ſo gut wie nichts,
wenn ich's gegen ein ganz anderes Fegfeuer und Ge¬
witter hielte, in das vorzuͤglich wir Mannsperſonen
geworfen werden, wenn wir ſo ungluͤcklich ſind, daß
wir uns ſelber kielholen — naͤmlich uns verlieben,
welches meines wenigen Erachtens ein geringer
Vorſchmack der Hoͤlle iſt ſo wie des Himmels. Die
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/15>, abgerufen am 03.12.2024.
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