die große Tiefe wieviel Frühlinge grünen heute auf so viel tausend darin ziehenden Erden." --
Als Viktor vor der Sonnenuhr vorüberging, die mit einem Maasstabe aus Schatten uns andern Schatten ihre engen glücklichen Inseln zuzählte und als ihm der Mond auf der Wage mit seiner innenstehen¬ den Schattenzunge die letzten Minuten dieser frohen Stunde vorwog, weil er nach Mitternach hin zeigte gleich sam als wenn er schriebe: es ist sogleich vorüber: so trat der Engländer allein langsam und niederblickend aus dem Florgewebe und ging unter die Töne, um sie wegzu¬ führen mit dem ganzen Himmel um sie. Viktor, der im stillen Meer der tiefsten Freude nicht mehr nach Gegenden steuerte sondern zufrieden darauf tau¬ melte und ruhte und in der Zukunft nichts begehrte als die Gegenwart, wandelte jetzt nur auf den lan¬ gen Terrassen hin und her, anstatt den Garten auf und abzusteigen -- er stand gerade auf der obersten, auf der Blumenterasse, an der Morgenfontaine und sah den dämmernden Weg hinüber zur blinkenden Abendfontaine und der Schnee des Mondes lag tie¬ fer und weisser gefallen die glückselige Ebene hinab und dieses blühende Zuckerfeld kam seinem träumen¬ den Herzen wie eine in diese Erde hereinreichende Landspitze der Insel der Seeligen vor und er sah ja lauter seelige Menschen auf diesem Zaubergefilde gehen, ruhen, tanzen, hier einsam, dort in Paaren, dort
die große Tiefe wieviel Fruͤhlinge gruͤnen heute auf ſo viel tauſend darin ziehenden Erden.« —
Als Viktor vor der Sonnenuhr voruͤberging, die mit einem Maasſtabe aus Schatten uns andern Schatten ihre engen gluͤcklichen Inſeln zuzaͤhlte und als ihm der Mond auf der Wage mit ſeiner innenſtehen¬ den Schattenzunge die letzten Minuten dieſer frohen Stunde vorwog, weil er nach Mitternach hin zeigte gleich ſam als wenn er ſchriebe: es iſt ſogleich voruͤber: ſo trat der Englaͤnder allein langſam und niederblickend aus dem Florgewebe und ging unter die Toͤne, um ſie wegzu¬ fuͤhren mit dem ganzen Himmel um ſie. Viktor, der im ſtillen Meer der tiefſten Freude nicht mehr nach Gegenden ſteuerte ſondern zufrieden darauf tau¬ melte und ruhte und in der Zukunft nichts begehrte als die Gegenwart, wandelte jetzt nur auf den lan¬ gen Terraſſen hin und her, anſtatt den Garten auf und abzuſteigen — er ſtand gerade auf der oberſten, auf der Blumenteraſſe, an der Morgenfontaine und ſah den daͤmmernden Weg hinuͤber zur blinkenden Abendfontaine und der Schnee des Mondes lag tie¬ fer und weiſſer gefallen die gluͤckſelige Ebene hinab und dieſes bluͤhende Zuckerfeld kam ſeinem traͤumen¬ den Herzen wie eine in dieſe Erde hereinreichende Landſpitze der Inſel der Seeligen vor und er ſah ja lauter ſeelige Menſchen auf dieſem Zaubergefilde gehen, ruhen, tanzen, hier einſam, dort in Paaren, dort
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die große Tiefe wieviel Fruͤhlinge gruͤnen heute auf
ſo viel tauſend darin ziehenden Erden.« —
Als Viktor vor der Sonnenuhr voruͤberging, die
mit einem Maasſtabe aus Schatten uns andern
Schatten ihre engen gluͤcklichen Inſeln zuzaͤhlte und als
ihm der Mond auf der Wage mit ſeiner innenſtehen¬
den Schattenzunge die letzten Minuten dieſer frohen
Stunde vorwog, weil er nach Mitternach hin zeigte gleich
ſam als wenn er ſchriebe: es iſt ſogleich voruͤber: ſo
trat der Englaͤnder allein langſam und niederblickend aus
dem Florgewebe und ging unter die Toͤne, um ſie wegzu¬
fuͤhren mit dem ganzen Himmel um ſie. Viktor,
der im ſtillen Meer der tiefſten Freude nicht mehr
nach Gegenden ſteuerte ſondern zufrieden darauf tau¬
melte und ruhte und in der Zukunft nichts begehrte
als die Gegenwart, wandelte jetzt nur auf den lan¬
gen Terraſſen hin und her, anſtatt den Garten auf
und abzuſteigen — er ſtand gerade auf der oberſten,
auf der Blumenteraſſe, an der Morgenfontaine und
ſah den daͤmmernden Weg hinuͤber zur blinkenden
Abendfontaine und der Schnee des Mondes lag tie¬
fer und weiſſer gefallen die gluͤckſelige Ebene hinab
und dieſes bluͤhende Zuckerfeld kam ſeinem traͤumen¬
den Herzen wie eine in dieſe Erde hereinreichende
Landſpitze der Inſel der Seeligen vor und er ſah ja
lauter ſeelige Menſchen auf dieſem Zaubergefilde
gehen, ruhen, tanzen, hier einſam, dort in Paaren, dort
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/199>, abgerufen am 23.11.2024.
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