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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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nachher die Stimme der Nachtigall, der Viktor
nachgegangen, nachgemacht, um den Regierungsrath
durch seine eigne Ohren und Augen von Viktors
Liebe gegen Klotilden zu überführen.

Viktor führte den schwachen Lehrer in die indi¬
sche Hütte. Er fühlte jetzt nach so vielen auflösenden
Tagen seine Nerven durch dieses Ungewitter gekühlt
und gestählt; der Seelenschmerz und die Aufopferung
hatten sein Blut, wie engere versperrende Wege die
Ströme, schneller und heftiger gemacht und die Lie¬
be zu Klotilden war männlicher und kühner durch
den Gedanken geworden, daß er sie nun ganz ver¬
diene. -- Nichts giebts ausser Groß-muth und
Sanft-muth schöneres als das Bündniß derselben.

Emanuel war nichts mehr als matt und setzte
sich, da der Abend schwül auf allen brütete, mit
Viktor auf die Grasbank seines Hauses, um mit
der zuckenden Brust aufrecht zu bleiben und eine
sanfte Freude glänzte in seinen Minen über jeden
gefallnen Blutstropfen, weil jeder ein rothes Siegel
auf seine Hoffnung zu sterben war. Aber als Viktor
das müde Haupt des guten Mannes an seinen Bu¬
sen nahm und ihn darauf entschlummern ließ: so
wurde ihm im stillen Abend wieder weh und sein
Herz schmerzte ihn erst. Er dachte sich es einsam,
wie sich drüben heisse Schwerter durch die schuldlose
blutende Seele zischend ziehen würden -- er fühlte,

nachher die Stimme der Nachtigall, der Viktor
nachgegangen, nachgemacht, um den Regierungsrath
durch ſeine eigne Ohren und Augen von Viktors
Liebe gegen Klotilden zu uͤberfuͤhren.

Viktor fuͤhrte den ſchwachen Lehrer in die indi¬
ſche Huͤtte. Er fuͤhlte jetzt nach ſo vielen aufloͤſenden
Tagen ſeine Nerven durch dieſes Ungewitter gekuͤhlt
und geſtaͤhlt; der Seelenſchmerz und die Aufopferung
hatten ſein Blut, wie engere verſperrende Wege die
Stroͤme, ſchneller und heftiger gemacht und die Lie¬
be zu Klotilden war maͤnnlicher und kuͤhner durch
den Gedanken geworden, daß er ſie nun ganz ver¬
diene. — Nichts giebts auſſer Groß-muth und
Sanft-muth ſchoͤneres als das Buͤndniß derſelben.

Emanuel war nichts mehr als matt und ſetzte
ſich, da der Abend ſchwuͤl auf allen bruͤtete, mit
Viktor auf die Grasbank ſeines Hauſes, um mit
der zuckenden Bruſt aufrecht zu bleiben und eine
ſanfte Freude glaͤnzte in ſeinen Minen uͤber jeden
gefallnen Blutstropfen, weil jeder ein rothes Siegel
auf ſeine Hoffnung zu ſterben war. Aber als Viktor
das muͤde Haupt des guten Mannes an ſeinen Bu¬
ſen nahm und ihn darauf entſchlummern ließ: ſo
wurde ihm im ſtillen Abend wieder weh und ſein
Herz ſchmerzte ihn erſt. Er dachte ſich es einſam,
wie ſich druͤben heiſſe Schwerter durch die ſchuldloſe
blutende Seele ziſchend ziehen wuͤrden — er fuͤhlte,

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[216/0226] nachher die Stimme der Nachtigall, der Viktor nachgegangen, nachgemacht, um den Regierungsrath durch ſeine eigne Ohren und Augen von Viktors Liebe gegen Klotilden zu uͤberfuͤhren. Viktor fuͤhrte den ſchwachen Lehrer in die indi¬ ſche Huͤtte. Er fuͤhlte jetzt nach ſo vielen aufloͤſenden Tagen ſeine Nerven durch dieſes Ungewitter gekuͤhlt und geſtaͤhlt; der Seelenſchmerz und die Aufopferung hatten ſein Blut, wie engere verſperrende Wege die Stroͤme, ſchneller und heftiger gemacht und die Lie¬ be zu Klotilden war maͤnnlicher und kuͤhner durch den Gedanken geworden, daß er ſie nun ganz ver¬ diene. — Nichts giebts auſſer Groß-muth und Sanft-muth ſchoͤneres als das Buͤndniß derſelben. Emanuel war nichts mehr als matt und ſetzte ſich, da der Abend ſchwuͤl auf allen bruͤtete, mit Viktor auf die Grasbank ſeines Hauſes, um mit der zuckenden Bruſt aufrecht zu bleiben und eine ſanfte Freude glaͤnzte in ſeinen Minen uͤber jeden gefallnen Blutstropfen, weil jeder ein rothes Siegel auf ſeine Hoffnung zu ſterben war. Aber als Viktor das muͤde Haupt des guten Mannes an ſeinen Bu¬ ſen nahm und ihn darauf entſchlummern ließ: ſo wurde ihm im ſtillen Abend wieder weh und ſein Herz ſchmerzte ihn erſt. Er dachte ſich es einſam, wie ſich druͤben heiſſe Schwerter durch die ſchuldloſe blutende Seele ziſchend ziehen wuͤrden — er fuͤhlte,

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/226>, abgerufen am 27.11.2024.