Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

an die Decke davon voll) hineingepasset hätte. Na¬
türlicher Weise war ibm also ein Schwiegersohn jetzt
am meisten erwünscht, da ihm etwan die Tochter
gar mit Tod abgehen könnte, ohne daß er sie noch
zu einem Springstab und Hebebaum seines Leibes
gebraucht hätte -- und da ihm zweitens das Duell-
Gerede das Herz anfras; nicht als ob er nicht durch
gesunde wurmförmige Bewegungen die härtesten
Dinge verdauet hätte, sondern weil er wie gebil¬
dete Menschen ohne Ehre, bei kleinen Beleidigun¬
gen gern mit Lärmkanonen und Feuertrommeln er¬
schien, um sich das Recht zu erschleichen, bei voll¬
ständigen, aber ergiebigen und mit Silberadern durch¬
zognen Entehrungen mausestill da zu liegen. Das
einzige was der Kammerherr nicht gern sah, was er
aber sogleich dadurch hob, daß er dem Hofmedikus
das Wort (über die Tochter) gab, das war, daß
er vorher das nämliche Wort (in geheim) unserem
Matz gegeben hatte. Da ihm der bald wiederkom¬
mende Lord mehr schaden und helfen konnte als der
Minister: so brach er gern das alte Wort, um das
neueste zu halten; denn nicht blos den letzten
Willen, sondern auch jeden kann der Mensch än¬
dern wie er will und wenn er ein Mann von Wort
ist, so wird er gern ganz entgegengesetzte Verspre¬
chungen thun, um sich zum Halten zu nöthigen.
Was konnte die Schwiegermutter, die Kammerher¬

an die Decke davon voll) hineingepaſſet haͤtte. Na¬
tuͤrlicher Weiſe war ibm alſo ein Schwiegerſohn jetzt
am meiſten erwuͤnſcht, da ihm etwan die Tochter
gar mit Tod abgehen koͤnnte, ohne daß er ſie noch
zu einem Springſtab und Hebebaum ſeines Leibes
gebraucht haͤtte — und da ihm zweitens das Duell-
Gerede das Herz anfras; nicht als ob er nicht durch
geſunde wurmfoͤrmige Bewegungen die haͤrteſten
Dinge verdauet haͤtte, ſondern weil er wie gebil¬
dete Menſchen ohne Ehre, bei kleinen Beleidigun¬
gen gern mit Laͤrmkanonen und Feuertrommeln er¬
ſchien, um ſich das Recht zu erſchleichen, bei voll¬
ſtaͤndigen, aber ergiebigen und mit Silberadern durch¬
zognen Entehrungen mauſeſtill da zu liegen. Das
einzige was der Kammerherr nicht gern ſah, was er
aber ſogleich dadurch hob, daß er dem Hofmedikus
das Wort (uͤber die Tochter) gab, das war, daß
er vorher das naͤmliche Wort (in geheim) unſerem
Matz gegeben hatte. Da ihm der bald wiederkom¬
mende Lord mehr ſchaden und helfen konnte als der
Miniſter: ſo brach er gern das alte Wort, um das
neueſte zu halten; denn nicht blos den letzten
Willen, ſondern auch jeden kann der Menſch aͤn¬
dern wie er will und wenn er ein Mann von Wort
iſt, ſo wird er gern ganz entgegengeſetzte Verſpre¬
chungen thun, um ſich zum Halten zu noͤthigen.
Was konnte die Schwiegermutter, die Kammerher¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0257" n="247"/>
an die Decke davon voll) hineingepa&#x017F;&#x017F;et ha&#x0364;tte. Na¬<lb/>
tu&#x0364;rlicher Wei&#x017F;e war ibm al&#x017F;o ein Schwieger&#x017F;ohn jetzt<lb/>
am mei&#x017F;ten erwu&#x0364;n&#x017F;cht, da ihm etwan die Tochter<lb/>
gar mit Tod abgehen ko&#x0364;nnte, ohne daß er &#x017F;ie noch<lb/>
zu einem Spring&#x017F;tab und Hebebaum &#x017F;eines Leibes<lb/>
gebraucht ha&#x0364;tte &#x2014; und da ihm zweitens das Duell-<lb/>
Gerede das Herz anfras; nicht als ob er nicht durch<lb/>
ge&#x017F;unde <hi rendition="#g">wurmfo&#x0364;rmige</hi> Bewegungen die <hi rendition="#g">ha&#x0364;rte&#x017F;ten</hi><lb/>
Dinge <hi rendition="#g">verdauet</hi> ha&#x0364;tte, &#x017F;ondern weil er wie gebil¬<lb/>
dete Men&#x017F;chen ohne Ehre, bei kleinen Beleidigun¬<lb/>
gen gern mit La&#x0364;rmkanonen und Feuertrommeln er¬<lb/>
&#x017F;chien, um &#x017F;ich das Recht zu er&#x017F;chleichen, bei voll¬<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndigen, aber ergiebigen und mit Silberadern durch¬<lb/>
zognen Entehrungen mau&#x017F;e&#x017F;till da zu liegen. Das<lb/>
einzige was der Kammerherr nicht gern &#x017F;ah, was er<lb/>
aber &#x017F;ogleich dadurch hob, daß er dem Hofmedikus<lb/>
das Wort (u&#x0364;ber die Tochter) gab, das war, daß<lb/>
er vorher das na&#x0364;mliche Wort (in geheim) un&#x017F;erem<lb/>
Matz gegeben hatte. Da ihm der bald wiederkom¬<lb/>
mende Lord mehr &#x017F;chaden und helfen konnte als der<lb/>
Mini&#x017F;ter: &#x017F;o brach er gern das alte Wort, um das<lb/>
neue&#x017F;te zu halten; denn nicht blos den <hi rendition="#g">letzten</hi><lb/>
Willen, &#x017F;ondern auch <hi rendition="#g">jeden</hi> kann der Men&#x017F;ch a&#x0364;<lb/>
dern wie er will und wenn er ein Mann von Wort<lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;o wird er gern ganz entgegenge&#x017F;etzte Ver&#x017F;pre¬<lb/>
chungen thun, um &#x017F;ich zum Halten zu no&#x0364;thigen.<lb/>
Was konnte die Schwiegermutter, die Kammerher¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[247/0257] an die Decke davon voll) hineingepaſſet haͤtte. Na¬ tuͤrlicher Weiſe war ibm alſo ein Schwiegerſohn jetzt am meiſten erwuͤnſcht, da ihm etwan die Tochter gar mit Tod abgehen koͤnnte, ohne daß er ſie noch zu einem Springſtab und Hebebaum ſeines Leibes gebraucht haͤtte — und da ihm zweitens das Duell- Gerede das Herz anfras; nicht als ob er nicht durch geſunde wurmfoͤrmige Bewegungen die haͤrteſten Dinge verdauet haͤtte, ſondern weil er wie gebil¬ dete Menſchen ohne Ehre, bei kleinen Beleidigun¬ gen gern mit Laͤrmkanonen und Feuertrommeln er¬ ſchien, um ſich das Recht zu erſchleichen, bei voll¬ ſtaͤndigen, aber ergiebigen und mit Silberadern durch¬ zognen Entehrungen mauſeſtill da zu liegen. Das einzige was der Kammerherr nicht gern ſah, was er aber ſogleich dadurch hob, daß er dem Hofmedikus das Wort (uͤber die Tochter) gab, das war, daß er vorher das naͤmliche Wort (in geheim) unſerem Matz gegeben hatte. Da ihm der bald wiederkom¬ mende Lord mehr ſchaden und helfen konnte als der Miniſter: ſo brach er gern das alte Wort, um das neueſte zu halten; denn nicht blos den letzten Willen, ſondern auch jeden kann der Menſch aͤn¬ dern wie er will und wenn er ein Mann von Wort iſt, ſo wird er gern ganz entgegengeſetzte Verſpre¬ chungen thun, um ſich zum Halten zu noͤthigen. Was konnte die Schwiegermutter, die Kammerher¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/257
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/257>, abgerufen am 23.11.2024.