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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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lich über das ganze Thal und über das stille Paar
in tausend warmen Tropfen nieder, die den Men¬
schen so leicht an seine erinnern. Der von Einem
der drei Engländer aufgesprengte Pulverthurm hatte
das Seetreffen der brennenden Wolken zertrennt.

Das zerstückte Gewitter hatte sich in kleinen
Wolken herumgezogen und stand über der Mitter¬
nachtsröthe in Nordosten, als die kalte Betäubung
die zwei Menschen noch zusammen heftete: endlich
kam von oben herab eine heisse Hand zwischen ihre
Angesichter und eine furchtsame Stimme fragte:
"schlafet ihr?"

"O Julius, (sagte Horion) komm in's Grab,
"dein Emanuel ist gestorben." ...

Ich mag die grausamen Minuten nicht zählen,
die zwei Unglückliche liegen liessen mit dem Stachel¬
gürtel des Jammers an einen Erblaßten gebunden.
Aber schönere kamen, die vorher jedes Wölkgen aus
dem Himmel drückten und den angelaufnen Mond
abwischten und dann die heissen Augen öfneten vor
der gereinigten abgekühlten Silbernacht.

"Ach ist er wohl nur ohnmächtig" sagte Viktor
sehr spät. Sie richteten sich seufzend auf. Sie zo¬
gen müde den Geliebten aus dem Grabe. Sie woll¬
ten ihn in seine Wohnung hinuntertragen, um da die
Sonnenwende dieser schönen Seele wie der Jo¬
hannissonne wieder zu erzwingen. Mit den dünnen
Kräften, die ihnen der Gram noch übrig gelassen,

lich uͤber das ganze Thal und uͤber das ſtille Paar
in tauſend warmen Tropfen nieder, die den Men¬
ſchen ſo leicht an ſeine erinnern. Der von Einem
der drei Englaͤnder aufgeſprengte Pulverthurm hatte
das Seetreffen der brennenden Wolken zertrennt.

Das zerſtuͤckte Gewitter hatte ſich in kleinen
Wolken herumgezogen und ſtand uͤber der Mitter¬
nachtsroͤthe in Nordoſten, als die kalte Betaͤubung
die zwei Menſchen noch zuſammen heftete: endlich
kam von oben herab eine heiſſe Hand zwiſchen ihre
Angeſichter und eine furchtſame Stimme fragte:
»ſchlafet ihr?«

»O Julius, (ſagte Horion) komm in's Grab,
»dein Emanuel iſt geſtorben.« ...

Ich mag die grauſamen Minuten nicht zaͤhlen,
die zwei Ungluͤckliche liegen lieſſen mit dem Stachel¬
guͤrtel des Jammers an einen Erblaßten gebunden.
Aber ſchoͤnere kamen, die vorher jedes Woͤlkgen aus
dem Himmel druͤckten und den angelaufnen Mond
abwiſchten und dann die heiſſen Augen oͤfneten vor
der gereinigten abgekuͤhlten Silbernacht.

»Ach iſt er wohl nur ohnmaͤchtig« ſagte Viktor
ſehr ſpaͤt. Sie richteten ſich ſeufzend auf. Sie zo¬
gen muͤde den Geliebten aus dem Grabe. Sie woll¬
ten ihn in ſeine Wohnung hinuntertragen, um da die
Sonnenwende dieſer ſchoͤnen Seele wie der Jo¬
hannisſonne wieder zu erzwingen. Mit den duͤnnen
Kraͤften, die ihnen der Gram noch uͤbrig gelaſſen,

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[277/0287] lich uͤber das ganze Thal und uͤber das ſtille Paar in tauſend warmen Tropfen nieder, die den Men¬ ſchen ſo leicht an ſeine erinnern. Der von Einem der drei Englaͤnder aufgeſprengte Pulverthurm hatte das Seetreffen der brennenden Wolken zertrennt. Das zerſtuͤckte Gewitter hatte ſich in kleinen Wolken herumgezogen und ſtand uͤber der Mitter¬ nachtsroͤthe in Nordoſten, als die kalte Betaͤubung die zwei Menſchen noch zuſammen heftete: endlich kam von oben herab eine heiſſe Hand zwiſchen ihre Angeſichter und eine furchtſame Stimme fragte: »ſchlafet ihr?« »O Julius, (ſagte Horion) komm in's Grab, »dein Emanuel iſt geſtorben.« ... Ich mag die grauſamen Minuten nicht zaͤhlen, die zwei Ungluͤckliche liegen lieſſen mit dem Stachel¬ guͤrtel des Jammers an einen Erblaßten gebunden. Aber ſchoͤnere kamen, die vorher jedes Woͤlkgen aus dem Himmel druͤckten und den angelaufnen Mond abwiſchten und dann die heiſſen Augen oͤfneten vor der gereinigten abgekuͤhlten Silbernacht. »Ach iſt er wohl nur ohnmaͤchtig« ſagte Viktor ſehr ſpaͤt. Sie richteten ſich ſeufzend auf. Sie zo¬ gen muͤde den Geliebten aus dem Grabe. Sie woll¬ ten ihn in ſeine Wohnung hinuntertragen, um da die Sonnenwende dieſer ſchoͤnen Seele wie der Jo¬ hannisſonne wieder zu erzwingen. Mit den duͤnnen Kraͤften, die ihnen der Gram noch uͤbrig gelaſſen,

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/287>, abgerufen am 23.11.2024.