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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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ersten und beide lächelten sich zerstöhrend an und
wurden mit einander höher -- das Herz, das im
Menschen bebte, hieng noch einmal bebend im zwei¬
ten Ich und sah sich darin sterben -- --

O da mußte jeder von seinem Ich zu seinem Ge¬
liebten wegfliehen und, ergriffen von Schauder und
Liebe, die Arme um fremde theure Menschen winden
-- Und der Engel des Endes öfnete die Arme weit
und drückte das ganze Menschengeschlecht in Eine
Umarmung zusammen -- Da glimmt, duftet, tönt
die ganze Au -- da stocken die Sonnen, aber die
Insel wirbelt sich selber um die Sonnen -- Die
zwei gespaltnen Ichs rinnen in einander ein -- die
liebenden Seelen fallen an einander wie Schneeflo¬
cken -- die Flocken werden zur Wolke -- die Wolke
schmilzt zur dunkeln Thräne --

Die große Wonnethräne, aus uns allen gemacht,
schwimmt durchsichtiger und durchsichtiger in der
Ewigkeit --

Endlich sagte leise der Engel des Endes: sie
sind am süßesten vergangen an ihren Ge¬
liebten
. --

Und er zerdrückte weinend das Wölkgen der
Zeit. --


In Emanuels Augen glänzten die Fieberbilder

erſten und beide laͤchelten ſich zerſtoͤhrend an und
wurden mit einander hoͤher — das Herz, das im
Menſchen bebte, hieng noch einmal bebend im zwei¬
ten Ich und ſah ſich darin ſterben — —

O da mußte jeder von ſeinem Ich zu ſeinem Ge¬
liebten wegfliehen und, ergriffen von Schauder und
Liebe, die Arme um fremde theure Menſchen winden
— Und der Engel des Endes oͤfnete die Arme weit
und druͤckte das ganze Menſchengeſchlecht in Eine
Umarmung zuſammen — Da glimmt, duftet, toͤnt
die ganze Au — da ſtocken die Sonnen, aber die
Inſel wirbelt ſich ſelber um die Sonnen — Die
zwei geſpaltnen Ichs rinnen in einander ein — die
liebenden Seelen fallen an einander wie Schneeflo¬
cken — die Flocken werden zur Wolke — die Wolke
ſchmilzt zur dunkeln Thraͤne —

Die große Wonnethraͤne, aus uns allen gemacht,
ſchwimmt durchſichtiger und durchſichtiger in der
Ewigkeit —

Endlich ſagte leiſe der Engel des Endes: ſie
ſind am ſuͤßeſten vergangen an ihren Ge¬
liebten
. —

Und er zerdruͤckte weinend das Woͤlkgen der
Zeit. —


In Emanuels Augen glaͤnzten die Fieberbilder

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[295/0305] erſten und beide laͤchelten ſich zerſtoͤhrend an und wurden mit einander hoͤher — das Herz, das im Menſchen bebte, hieng noch einmal bebend im zwei¬ ten Ich und ſah ſich darin ſterben — — O da mußte jeder von ſeinem Ich zu ſeinem Ge¬ liebten wegfliehen und, ergriffen von Schauder und Liebe, die Arme um fremde theure Menſchen winden — Und der Engel des Endes oͤfnete die Arme weit und druͤckte das ganze Menſchengeſchlecht in Eine Umarmung zuſammen — Da glimmt, duftet, toͤnt die ganze Au — da ſtocken die Sonnen, aber die Inſel wirbelt ſich ſelber um die Sonnen — Die zwei geſpaltnen Ichs rinnen in einander ein — die liebenden Seelen fallen an einander wie Schneeflo¬ cken — die Flocken werden zur Wolke — die Wolke ſchmilzt zur dunkeln Thraͤne — Die große Wonnethraͤne, aus uns allen gemacht, ſchwimmt durchſichtiger und durchſichtiger in der Ewigkeit — Endlich ſagte leiſe der Engel des Endes: ſie ſind am ſuͤßeſten vergangen an ihren Ge¬ liebten. — Und er zerdruͤckte weinend das Woͤlkgen der Zeit. — In Emanuels Augen glaͤnzten die Fieberbilder

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/305>, abgerufen am 23.11.2024.