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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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Agathen neben den Florhut Klotildens, den sie stu¬
dirte, zu setzen.

Um aber seinem Besuche nicht zu vieles Gewicht
in den Augen Joachimens zu lassen, nahm er sich
vor, sie um die Prospekte von Maienthal, die in
ihrem Zimmer hingen, anzugehen auf einige Wochen.
O Maienthal, wie viel hast du, wenn schon dein
Schattenriß so glücklich macht! -- Aber seine Visite
lief sonderbar ab. Er wünschte unterweges, in ih¬
rem Toilettenzimmer wäre der feine Narr, und der
wohlriechende und mehr Zeug -- es war nichts da,
Sie nahm ihn mit einer sorglosen Lustigkeit auf als
wäre sie die Kolombine und der Medikus der Pickel¬
häring. Er aber wollte blos das diminuendo seiner
moralischen Dissonanzen ausführen; daher wurd' er
durch das ewige Hinsehen auf sein Notenpult und
auf die Partitur seiner innern Harmonie etwas steif
und ungelenk in seinem Spiel. Weiber unterschei¬
den leicht Kälte der Vernunft (schon am Mangel der
Uebertreibung) von Kälte der Laune. Jetzt verlang¬
te er die Prospekte. Joachime wurde nicht kälter,
sondern warm d. h. ernsthaft und hob in der holen
Hand ihre Uhr empor und sagte, darauf blickend:
"Ich geb' Ihnen so viele Minuten Frist, als Sie
"Tage weggeblieben sind, um das Wegbleiben zu
"entschuldigen." -- Viktor nahm ohne Verlegenheit
-- wie jeder, der nur nach Einem entweder guten

Agathen neben den Florhut Klotildens, den ſie ſtu¬
dirte, zu ſetzen.

Um aber ſeinem Beſuche nicht zu vieles Gewicht
in den Augen Joachimens zu laſſen, nahm er ſich
vor, ſie um die Proſpekte von Maienthal, die in
ihrem Zimmer hingen, anzugehen auf einige Wochen.
O Maienthal, wie viel haſt du, wenn ſchon dein
Schattenriß ſo gluͤcklich macht! — Aber ſeine Viſite
lief ſonderbar ab. Er wuͤnſchte unterweges, in ih¬
rem Toilettenzimmer waͤre der feine Narr, und der
wohlriechende und mehr Zeug — es war nichts da,
Sie nahm ihn mit einer ſorgloſen Luſtigkeit auf als
waͤre ſie die Kolombine und der Medikus der Pickel¬
haͤring. Er aber wollte blos das diminuendo ſeiner
moraliſchen Diſſonanzen ausfuͤhren; daher wurd' er
durch das ewige Hinſehen auf ſein Notenpult und
auf die Partitur ſeiner innern Harmonie etwas ſteif
und ungelenk in ſeinem Spiel. Weiber unterſchei¬
den leicht Kaͤlte der Vernunft (ſchon am Mangel der
Uebertreibung) von Kaͤlte der Laune. Jetzt verlang¬
te er die Proſpekte. Joachime wurde nicht kaͤlter,
ſondern warm d. h. ernſthaft und hob in der holen
Hand ihre Uhr empor und ſagte, darauf blickend:
»Ich geb' Ihnen ſo viele Minuten Friſt, als Sie
»Tage weggeblieben ſind, um das Wegbleiben zu
»entſchuldigen.» — Viktor nahm ohne Verlegenheit
— wie jeder, der nur nach Einem entweder guten

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[22/0032] Agathen neben den Florhut Klotildens, den ſie ſtu¬ dirte, zu ſetzen. Um aber ſeinem Beſuche nicht zu vieles Gewicht in den Augen Joachimens zu laſſen, nahm er ſich vor, ſie um die Proſpekte von Maienthal, die in ihrem Zimmer hingen, anzugehen auf einige Wochen. O Maienthal, wie viel haſt du, wenn ſchon dein Schattenriß ſo gluͤcklich macht! — Aber ſeine Viſite lief ſonderbar ab. Er wuͤnſchte unterweges, in ih¬ rem Toilettenzimmer waͤre der feine Narr, und der wohlriechende und mehr Zeug — es war nichts da, Sie nahm ihn mit einer ſorgloſen Luſtigkeit auf als waͤre ſie die Kolombine und der Medikus der Pickel¬ haͤring. Er aber wollte blos das diminuendo ſeiner moraliſchen Diſſonanzen ausfuͤhren; daher wurd' er durch das ewige Hinſehen auf ſein Notenpult und auf die Partitur ſeiner innern Harmonie etwas ſteif und ungelenk in ſeinem Spiel. Weiber unterſchei¬ den leicht Kaͤlte der Vernunft (ſchon am Mangel der Uebertreibung) von Kaͤlte der Laune. Jetzt verlang¬ te er die Proſpekte. Joachime wurde nicht kaͤlter, ſondern warm d. h. ernſthaft und hob in der holen Hand ihre Uhr empor und ſagte, darauf blickend: »Ich geb' Ihnen ſo viele Minuten Friſt, als Sie »Tage weggeblieben ſind, um das Wegbleiben zu »entſchuldigen.» — Viktor nahm ohne Verlegenheit — wie jeder, der nur nach Einem entweder guten

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/32>, abgerufen am 21.11.2024.