nem Lebens-Nachflor von Tugenden; und widmete seine kurzen Stunden nicht süßen Phantasien, son¬ dern dürftigen Kranken. Er untersagte sich jeden Aufwand, um seinem Julius das väterliche Vermö¬ gen ungeschmälert zu lassen. Er war weder eitel noch stolz. Er sprach freimüthig über und gegen den Staat; -- denn was ist so nahe neben dem Sturm- und Wetterdache des Sargdeckels wol zu fürchten? -- Aber eben weil er bloß die Liebe zum Guten, und keine Leidenschaften und keine Feigheit in seinem Innern spürte: so widerstand er sanft und ruhig; denn sobald nur der Mensch für sich selber überführt ist, daß er Muth für den Noth¬ fall verwahre: so sucht er nicht mehr, ihn vor an¬ dern auszukramen. Der Gedanke des Todes machte ihn sonst zu humoristischen Thorheiten geneigt; jetzt aber nur zu guten Handlungen. Ihm war jetzt so wohl, ihm erschienen die Menschen und die Sze¬ nen um ihn in dem milden stillenden Abendlichte, worin er beide allemal in den Krankheiten seiner Kindheit erblickte. Es schien als wollt' er (und es gelang ihm) durch diese Frömmigkeit sein Gewissen zur leserlichen Unterschrift seines eigenhändigen To¬ desurtheils bestechen. Wie dem verewigten Emanuel kamen ihm die Menschen wie Kinder vor, das Er¬ denlicht wie Abendlicht, alles sanfter, alles ein we¬ nig kleiner, er hatte keine Angst und Gier; die Er¬
nem Lebens-Nachflor von Tugenden; und widmete ſeine kurzen Stunden nicht ſuͤßen Phantaſien, ſon¬ dern duͤrftigen Kranken. Er unterſagte ſich jeden Aufwand, um ſeinem Julius das vaͤterliche Vermoͤ¬ gen ungeſchmaͤlert zu laſſen. Er war weder eitel noch ſtolz. Er ſprach freimuͤthig uͤber und gegen den Staat; — denn was iſt ſo nahe neben dem Sturm- und Wetterdache des Sargdeckels wol zu fuͤrchten? — Aber eben weil er bloß die Liebe zum Guten, und keine Leidenſchaften und keine Feigheit in ſeinem Innern ſpuͤrte: ſo widerſtand er ſanft und ruhig; denn ſobald nur der Menſch fuͤr ſich ſelber uͤberfuͤhrt iſt, daß er Muth fuͤr den Noth¬ fall verwahre: ſo ſucht er nicht mehr, ihn vor an¬ dern auszukramen. Der Gedanke des Todes machte ihn ſonſt zu humoriſtiſchen Thorheiten geneigt; jetzt aber nur zu guten Handlungen. Ihm war jetzt ſo wohl, ihm erſchienen die Menſchen und die Sze¬ nen um ihn in dem milden ſtillenden Abendlichte, worin er beide allemal in den Krankheiten ſeiner Kindheit erblickte. Es ſchien als wollt' er (und es gelang ihm) durch dieſe Froͤmmigkeit ſein Gewiſſen zur leſerlichen Unterſchrift ſeines eigenhaͤndigen To¬ desurtheils beſtechen. Wie dem verewigten Emanuel kamen ihm die Menſchen wie Kinder vor, das Er¬ denlicht wie Abendlicht, alles ſanfter, alles ein we¬ nig kleiner, er hatte keine Angſt und Gier; die Er¬
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nem Lebens-Nachflor von Tugenden; und widmete
ſeine kurzen Stunden nicht ſuͤßen Phantaſien, ſon¬
dern duͤrftigen Kranken. Er unterſagte ſich jeden
Aufwand, um ſeinem Julius das vaͤterliche Vermoͤ¬
gen ungeſchmaͤlert zu laſſen. Er war weder eitel
noch ſtolz. Er ſprach freimuͤthig uͤber und gegen
den Staat; — denn was iſt ſo nahe neben dem
Sturm- und Wetterdache des Sargdeckels wol zu
fuͤrchten? — Aber eben weil er bloß die Liebe zum
Guten, und keine Leidenſchaften und keine Feigheit
in ſeinem Innern ſpuͤrte: ſo widerſtand er ſanft
und ruhig; denn ſobald nur der Menſch fuͤr ſich
ſelber uͤberfuͤhrt iſt, daß er Muth fuͤr den Noth¬
fall verwahre: ſo ſucht er nicht mehr, ihn vor an¬
dern auszukramen. Der Gedanke des Todes machte
ihn ſonſt zu humoriſtiſchen Thorheiten geneigt;
jetzt aber nur zu guten Handlungen. Ihm war jetzt
ſo wohl, ihm erſchienen die Menſchen und die Sze¬
nen um ihn in dem milden ſtillenden Abendlichte,
worin er beide allemal in den Krankheiten ſeiner
Kindheit erblickte. Es ſchien als wollt' er (und es
gelang ihm) durch dieſe Froͤmmigkeit ſein Gewiſſen
zur leſerlichen Unterſchrift ſeines eigenhaͤndigen To¬
desurtheils beſtechen. Wie dem verewigten Emanuel
kamen ihm die Menſchen wie Kinder vor, das Er¬
denlicht wie Abendlicht, alles ſanfter, alles ein we¬
nig kleiner, er hatte keine Angſt und Gier; die Er¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/373>, abgerufen am 31.10.2024.
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