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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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bald ausgeschrieben hat, verzeih' man's ihm, daß
er in diesem Kapitel der Liebe feuriger und angeneh¬
mer ist, als je und überhaupt jetzt schreibt als wär'
er besessen.

Anfangs ziehen den Himmelswagen noch Trauer¬
pferde. . . . Sehr früh, den 21 Oktober 1793
war's, wo der Hofjunker in's Stockhaus Flamins
lief, aus dem eignen und diesem darin büßenden
Bruder alles verkündigte, seine Entlassung -- seine
Verschwisterung mit Klotilden -- seine Einkindschaft
in's fürstliche Haus -- seine aufsteigende Laufbahn und
zugleich die Amnestie des mörderischen Boten, die
eigne nämlich. O wie glühte die Freude über
Matthieu's Lossprechung und Vorsprache und über
die eigne Standeserhöhung seine stockenden Adern
an. Denn Flamin bestieg den höhern Stand
als eine Anhöhe, um seine Wohlthaten und Projekte
weiter zu werfen; Viktor hingegen war über seinen
Standes Bankerut froh gewesen, weil er Stille be¬
gehrte wie jener Getöse. Viktor wollte mehr sich,
jener mehr andere umbessern. Flamin stieß lebendi¬
ges Schiffsvolk über den Bord ins Meer, und na¬
gelte den Staats-Bucentauro mit Rudersklaven voll,
um ihn schneller gegen Winde anzutreiben. Viktor
aber erlaubte sich, nur Eine Leiche zur Erleichterung
des Kaperschiffs zu machen -- seine eigne. Er sagte
zu sich: "wenn ich nur den Muth allezeit heilig

bald ausgeſchrieben hat, verzeih' man's ihm, daß
er in dieſem Kapitel der Liebe feuriger und angeneh¬
mer iſt, als je und uͤberhaupt jetzt ſchreibt als waͤr'
er beſeſſen.

Anfangs ziehen den Himmelswagen noch Trauer¬
pferde. . . . Sehr fruͤh, den 21 Oktober 1793
war's, wo der Hofjunker in's Stockhaus Flamins
lief, aus dem eignen und dieſem darin buͤßenden
Bruder alles verkuͤndigte, ſeine Entlaſſung — ſeine
Verſchwiſterung mit Klotilden — ſeine Einkindſchaft
in's fuͤrſtliche Haus — ſeine aufſteigende Laufbahn und
zugleich die Amneſtie des moͤrderiſchen Boten, die
eigne naͤmlich. O wie gluͤhte die Freude uͤber
Matthieu's Losſprechung und Vorſprache und uͤber
die eigne Standeserhoͤhung ſeine ſtockenden Adern
an. Denn Flamin beſtieg den hoͤhern Stand
als eine Anhoͤhe, um ſeine Wohlthaten und Projekte
weiter zu werfen; Viktor hingegen war uͤber ſeinen
Standes Bankerut froh geweſen, weil er Stille be¬
gehrte wie jener Getoͤſe. Viktor wollte mehr ſich,
jener mehr andere umbeſſern. Flamin ſtieß lebendi¬
ges Schiffsvolk uͤber den Bord ins Meer, und na¬
gelte den Staats-Bucentauro mit Ruderſklaven voll,
um ihn ſchneller gegen Winde anzutreiben. Viktor
aber erlaubte ſich, nur Eine Leiche zur Erleichterung
des Kaperſchiffs zu machen — ſeine eigne. Er ſagte
zu ſich: »wenn ich nur den Muth allezeit heilig

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[391/0401] bald ausgeſchrieben hat, verzeih' man's ihm, daß er in dieſem Kapitel der Liebe feuriger und angeneh¬ mer iſt, als je und uͤberhaupt jetzt ſchreibt als waͤr' er beſeſſen. Anfangs ziehen den Himmelswagen noch Trauer¬ pferde. . . . Sehr fruͤh, den 21 Oktober 1793 war's, wo der Hofjunker in's Stockhaus Flamins lief, aus dem eignen und dieſem darin buͤßenden Bruder alles verkuͤndigte, ſeine Entlaſſung — ſeine Verſchwiſterung mit Klotilden — ſeine Einkindſchaft in's fuͤrſtliche Haus — ſeine aufſteigende Laufbahn und zugleich die Amneſtie des moͤrderiſchen Boten, die eigne naͤmlich. O wie gluͤhte die Freude uͤber Matthieu's Losſprechung und Vorſprache und uͤber die eigne Standeserhoͤhung ſeine ſtockenden Adern an. Denn Flamin beſtieg den hoͤhern Stand als eine Anhoͤhe, um ſeine Wohlthaten und Projekte weiter zu werfen; Viktor hingegen war uͤber ſeinen Standes Bankerut froh geweſen, weil er Stille be¬ gehrte wie jener Getoͤſe. Viktor wollte mehr ſich, jener mehr andere umbeſſern. Flamin ſtieß lebendi¬ ges Schiffsvolk uͤber den Bord ins Meer, und na¬ gelte den Staats-Bucentauro mit Ruderſklaven voll, um ihn ſchneller gegen Winde anzutreiben. Viktor aber erlaubte ſich, nur Eine Leiche zur Erleichterung des Kaperſchiffs zu machen — ſeine eigne. Er ſagte zu ſich: »wenn ich nur den Muth allezeit heilig

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/401>, abgerufen am 23.11.2024.