heute Klotildens Geburtstag -- aus seinem zerrütte¬ ten Herzen ihr Bild gerissen hatte, und wo er wie¬ der ankam, um es aus den alten Narben vielleicht wieder auszureissen Denn das Senken seines Stan¬ des hatt' ihn ein wenig -- stolzer gemacht, und seine Liebe für Klotilden scheuer. Die Wahrheit zu sagen, so glaubt' er's selber nicht recht, daß ihr seine niedrige Abkunft unbekannt gewesen: er schloß vielmehr das Widerspiel aus dem Antheil, den sie der Lord an seinen Briefen und an allen Geheim¬ nissen nehmen lassen -- aus ihrem anfänglichen Kampf gegen ihre aufkeimende Liebe und aus dem kleinen Stolze gegen ihn am ersten Tage -- aus ih¬ rem Lobe der Mesalliance -- aus ihrer Begünsti¬ gung der Liebe Giulia's gegen Julius, den sie als Lords Sohn kannte -- aus ihrer leichten Einwilli¬ gung in die Verlobung, die ihr Vater ja nach der Erkennung nicht mehr zugelassen hätte -- und aus andern Zügen, die man bei der zweiten Lesung die¬ ses Werks leichter selber sammelt. Wie gesagt, diese Hoffnung, daß sie ihn allemal gekannt, wieder¬ legte einige Einwürfe seiner Delikatesse und seiner Resignation; und blühte heute noch höher auf unter so vielen Freuden und schönen Zufällen. -- Ach! wenn er ohne alle Hoffnung gewesen wäre: so hätt' er ja mitten im Kreise so vieler Beglückten als die
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heute Klotildens Geburtstag — aus ſeinem zerruͤtte¬ ten Herzen ihr Bild geriſſen hatte, und wo er wie¬ der ankam, um es aus den alten Narben vielleicht wieder auszureiſſen Denn das Senken ſeines Stan¬ des hatt' ihn ein wenig — ſtolzer gemacht, und ſeine Liebe fuͤr Klotilden ſcheuer. Die Wahrheit zu ſagen, ſo glaubt' er's ſelber nicht recht, daß ihr ſeine niedrige Abkunft unbekannt geweſen: er ſchloß vielmehr das Widerſpiel aus dem Antheil, den ſie der Lord an ſeinen Briefen und an allen Geheim¬ niſſen nehmen laſſen — aus ihrem anfaͤnglichen Kampf gegen ihre aufkeimende Liebe und aus dem kleinen Stolze gegen ihn am erſten Tage — aus ih¬ rem Lobe der Mesalliance — aus ihrer Beguͤnſti¬ gung der Liebe Giulia's gegen Julius, den ſie als Lords Sohn kannte — aus ihrer leichten Einwilli¬ gung in die Verlobung, die ihr Vater ja nach der Erkennung nicht mehr zugelaſſen haͤtte — und aus andern Zuͤgen, die man bei der zweiten Leſung die¬ ſes Werks leichter ſelber ſammelt. Wie geſagt, dieſe Hoffnung, daß ſie ihn allemal gekannt, wieder¬ legte einige Einwuͤrfe ſeiner Delikateſſe und ſeiner Reſignation; und bluͤhte heute noch hoͤher auf unter ſo vielen Freuden und ſchoͤnen Zufaͤllen. — Ach! wenn er ohne alle Hoffnung geweſen waͤre: ſo haͤtt' er ja mitten im Kreiſe ſo vieler Begluͤckten als die
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heute Klotildens Geburtstag — aus ſeinem zerruͤtte¬
ten Herzen ihr Bild geriſſen hatte, und wo er wie¬
der ankam, um es aus den alten Narben vielleicht
wieder auszureiſſen Denn das Senken ſeines Stan¬
des hatt' ihn ein wenig — ſtolzer gemacht, und
ſeine Liebe fuͤr Klotilden ſcheuer. Die Wahrheit
zu ſagen, ſo glaubt' er's ſelber nicht recht, daß ihr
ſeine niedrige Abkunft unbekannt geweſen: er ſchloß
vielmehr das Widerſpiel aus dem Antheil, den ſie
der Lord an ſeinen Briefen und an allen Geheim¬
niſſen nehmen laſſen — aus ihrem anfaͤnglichen
Kampf gegen ihre aufkeimende Liebe und aus dem
kleinen Stolze gegen ihn am erſten Tage — aus ih¬
rem Lobe der Mesalliance — aus ihrer Beguͤnſti¬
gung der Liebe Giulia's gegen Julius, den ſie als
Lords Sohn kannte — aus ihrer leichten Einwilli¬
gung in die Verlobung, die ihr Vater ja nach der
Erkennung nicht mehr zugelaſſen haͤtte — und aus
andern Zuͤgen, die man bei der zweiten Leſung die¬
ſes Werks leichter ſelber ſammelt. Wie geſagt,
dieſe Hoffnung, daß ſie ihn allemal gekannt, wieder¬
legte einige Einwuͤrfe ſeiner Delikateſſe und ſeiner
Reſignation; und bluͤhte heute noch hoͤher auf unter
ſo vielen Freuden und ſchoͤnen Zufaͤllen. — Ach!
wenn er ohne alle Hoffnung geweſen waͤre: ſo haͤtt'
er ja mitten im Kreiſe ſo vieler Begluͤckten als die
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/413>, abgerufen am 23.11.2024.
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