Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

heute Klotildens Geburtstag -- aus seinem zerrütte¬
ten Herzen ihr Bild gerissen hatte, und wo er wie¬
der ankam, um es aus den alten Narben vielleicht
wieder auszureissen Denn das Senken seines Stan¬
des hatt' ihn ein wenig -- stolzer gemacht, und
seine Liebe für Klotilden scheuer. Die Wahrheit
zu sagen, so glaubt' er's selber nicht recht, daß ihr
seine niedrige Abkunft unbekannt gewesen: er schloß
vielmehr das Widerspiel aus dem Antheil, den sie
der Lord an seinen Briefen und an allen Geheim¬
nissen nehmen lassen -- aus ihrem anfänglichen
Kampf gegen ihre aufkeimende Liebe und aus dem
kleinen Stolze gegen ihn am ersten Tage -- aus ih¬
rem Lobe der Mesalliance -- aus ihrer Begünsti¬
gung der Liebe Giulia's gegen Julius, den sie als
Lords Sohn kannte -- aus ihrer leichten Einwilli¬
gung in die Verlobung, die ihr Vater ja nach der
Erkennung nicht mehr zugelassen hätte -- und aus
andern Zügen, die man bei der zweiten Lesung die¬
ses Werks leichter selber sammelt. Wie gesagt,
diese Hoffnung, daß sie ihn allemal gekannt, wieder¬
legte einige Einwürfe seiner Delikatesse und seiner
Resignation; und blühte heute noch höher auf unter
so vielen Freuden und schönen Zufällen. -- Ach!
wenn er ohne alle Hoffnung gewesen wäre: so hätt'
er ja mitten im Kreise so vieler Beglückten als die

Cc 2

heute Klotildens Geburtstag — aus ſeinem zerruͤtte¬
ten Herzen ihr Bild geriſſen hatte, und wo er wie¬
der ankam, um es aus den alten Narben vielleicht
wieder auszureiſſen Denn das Senken ſeines Stan¬
des hatt' ihn ein wenig — ſtolzer gemacht, und
ſeine Liebe fuͤr Klotilden ſcheuer. Die Wahrheit
zu ſagen, ſo glaubt' er's ſelber nicht recht, daß ihr
ſeine niedrige Abkunft unbekannt geweſen: er ſchloß
vielmehr das Widerſpiel aus dem Antheil, den ſie
der Lord an ſeinen Briefen und an allen Geheim¬
niſſen nehmen laſſen — aus ihrem anfaͤnglichen
Kampf gegen ihre aufkeimende Liebe und aus dem
kleinen Stolze gegen ihn am erſten Tage — aus ih¬
rem Lobe der Mesalliance — aus ihrer Beguͤnſti¬
gung der Liebe Giulia's gegen Julius, den ſie als
Lords Sohn kannte — aus ihrer leichten Einwilli¬
gung in die Verlobung, die ihr Vater ja nach der
Erkennung nicht mehr zugelaſſen haͤtte — und aus
andern Zuͤgen, die man bei der zweiten Leſung die¬
ſes Werks leichter ſelber ſammelt. Wie geſagt,
dieſe Hoffnung, daß ſie ihn allemal gekannt, wieder¬
legte einige Einwuͤrfe ſeiner Delikateſſe und ſeiner
Reſignation; und bluͤhte heute noch hoͤher auf unter
ſo vielen Freuden und ſchoͤnen Zufaͤllen. — Ach!
wenn er ohne alle Hoffnung geweſen waͤre: ſo haͤtt'
er ja mitten im Kreiſe ſo vieler Begluͤckten als die

Cc 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0413" n="403"/>
heute Klotildens Geburtstag &#x2014; aus &#x017F;einem zerru&#x0364;tte¬<lb/>
ten Herzen ihr Bild geri&#x017F;&#x017F;en hatte, und wo er wie¬<lb/>
der ankam, um es aus den alten Narben vielleicht<lb/>
wieder auszurei&#x017F;&#x017F;en Denn das Senken &#x017F;eines Stan¬<lb/>
des hatt' ihn ein wenig &#x2014; &#x017F;tolzer gemacht, und<lb/>
&#x017F;eine Liebe fu&#x0364;r Klotilden &#x017F;cheuer. Die Wahrheit<lb/>
zu &#x017F;agen, &#x017F;o glaubt' er's &#x017F;elber nicht recht, daß ihr<lb/>
&#x017F;eine niedrige Abkunft unbekannt gewe&#x017F;en: er &#x017F;chloß<lb/>
vielmehr das Wider&#x017F;piel aus dem Antheil, den &#x017F;ie<lb/>
der Lord an &#x017F;einen Briefen und an allen Geheim¬<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;en nehmen la&#x017F;&#x017F;en &#x2014; aus ihrem anfa&#x0364;nglichen<lb/>
Kampf gegen ihre aufkeimende Liebe und aus dem<lb/>
kleinen Stolze gegen ihn am er&#x017F;ten Tage &#x2014; aus ih¬<lb/>
rem Lobe der Mesalliance &#x2014; aus ihrer Begu&#x0364;n&#x017F;ti¬<lb/>
gung der Liebe Giulia's gegen Julius, den &#x017F;ie als<lb/>
Lords Sohn kannte &#x2014; aus ihrer leichten Einwilli¬<lb/>
gung in die Verlobung, die ihr Vater ja nach der<lb/>
Erkennung nicht mehr zugela&#x017F;&#x017F;en ha&#x0364;tte &#x2014; und aus<lb/>
andern Zu&#x0364;gen, die man bei der zweiten Le&#x017F;ung die¬<lb/>
&#x017F;es Werks leichter &#x017F;elber &#x017F;ammelt. Wie ge&#x017F;agt,<lb/>
die&#x017F;e Hoffnung, daß &#x017F;ie ihn allemal gekannt, wieder¬<lb/>
legte einige Einwu&#x0364;rfe &#x017F;einer Delikate&#x017F;&#x017F;e und &#x017F;einer<lb/>
Re&#x017F;ignation; und blu&#x0364;hte heute noch ho&#x0364;her auf unter<lb/>
&#x017F;o vielen Freuden und &#x017F;cho&#x0364;nen Zufa&#x0364;llen. &#x2014; Ach!<lb/>
wenn er ohne alle Hoffnung gewe&#x017F;en wa&#x0364;re: &#x017F;o ha&#x0364;tt'<lb/>
er ja mitten im Krei&#x017F;e &#x017F;o vieler Beglu&#x0364;ckten als die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Cc 2<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[403/0413] heute Klotildens Geburtstag — aus ſeinem zerruͤtte¬ ten Herzen ihr Bild geriſſen hatte, und wo er wie¬ der ankam, um es aus den alten Narben vielleicht wieder auszureiſſen Denn das Senken ſeines Stan¬ des hatt' ihn ein wenig — ſtolzer gemacht, und ſeine Liebe fuͤr Klotilden ſcheuer. Die Wahrheit zu ſagen, ſo glaubt' er's ſelber nicht recht, daß ihr ſeine niedrige Abkunft unbekannt geweſen: er ſchloß vielmehr das Widerſpiel aus dem Antheil, den ſie der Lord an ſeinen Briefen und an allen Geheim¬ niſſen nehmen laſſen — aus ihrem anfaͤnglichen Kampf gegen ihre aufkeimende Liebe und aus dem kleinen Stolze gegen ihn am erſten Tage — aus ih¬ rem Lobe der Mesalliance — aus ihrer Beguͤnſti¬ gung der Liebe Giulia's gegen Julius, den ſie als Lords Sohn kannte — aus ihrer leichten Einwilli¬ gung in die Verlobung, die ihr Vater ja nach der Erkennung nicht mehr zugelaſſen haͤtte — und aus andern Zuͤgen, die man bei der zweiten Leſung die¬ ſes Werks leichter ſelber ſammelt. Wie geſagt, dieſe Hoffnung, daß ſie ihn allemal gekannt, wieder¬ legte einige Einwuͤrfe ſeiner Delikateſſe und ſeiner Reſignation; und bluͤhte heute noch hoͤher auf unter ſo vielen Freuden und ſchoͤnen Zufaͤllen. — Ach! wenn er ohne alle Hoffnung geweſen waͤre: ſo haͤtt' er ja mitten im Kreiſe ſo vieler Begluͤckten als die Cc 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/413
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/413>, abgerufen am 23.11.2024.