Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

denden Perlen waren aus ihren Augen oder ihre Au¬
gen selber -- Hoch über ihnen stand der Vollmond
im Blauen, aber auf der Erde war doch kein Licht,
sondern ein blauer Schatten: denn das Himmelsblau
war eine große blaue Wolke, bloß an einer Stelle
vom Monde geöfnet, der nur auf die drei Paradies¬
vögel und unten auf eine helle von uns abgekehrte
Gestalt Schimmer niedergoß -- Sie waren diese Ge¬
stalt und wendeten ihr Angesicht bloß gegen Morgen,
gegen die hängende Landschaft als ob sie etwas da
sogleich erblicken würden. Die Paradiesvögel säeten
die Perlen häufiger in Ihre Augen: "es sind die
"Thränen, die unsere Freundin weinen muß" sagte
Emanuel; auch fielen sie dann aus ihren Augen, aber
lichter und blieben glimmend auf dem Blumenboden
stehen. Das Blau auf der Erde wurde plötzlich hel¬
ler als das Blau am Himmel und eine schiefe Höle,
deren Mündung gegen die Ewigkeit aufklafte, wühlte
sich rückwärts durch die Erde gegen Abend bis nach
Amerika hinab, wo die Sonne in die Oefnung schien
-- und ein Strom von Abendröthe so breit wie ein
Grab schoß aufwärts aus der Erde und legte sich
mit seinem Abendscheine an die neblichte Ewigkeit
wie dünne Flammen an. -- Da zitterten Ihre Arme
ausgebreitet, da zitterten Ihre Lieder voll sehnsüchti¬
ger Wonne, -- da konnten wir und Sie die erleuch¬
tete Ewigkeit ganz sehen. Aber sie wechselte schil¬

denden Perlen waren aus ihren Augen oder ihre Au¬
gen ſelber — Hoch uͤber ihnen ſtand der Vollmond
im Blauen, aber auf der Erde war doch kein Licht,
ſondern ein blauer Schatten: denn das Himmelsblau
war eine große blaue Wolke, bloß an einer Stelle
vom Monde geoͤfnet, der nur auf die drei Paradies¬
voͤgel und unten auf eine helle von uns abgekehrte
Geſtalt Schimmer niedergoß — Sie waren dieſe Ge¬
ſtalt und wendeten ihr Angeſicht bloß gegen Morgen,
gegen die haͤngende Landſchaft als ob ſie etwas da
ſogleich erblicken wuͤrden. Die Paradiesvoͤgel ſaͤeten
die Perlen haͤufiger in Ihre Augen: »es ſind die
»Thraͤnen, die unſere Freundin weinen muß« ſagte
Emanuel; auch fielen ſie dann aus ihren Augen, aber
lichter und blieben glimmend auf dem Blumenboden
ſtehen. Das Blau auf der Erde wurde ploͤtzlich hel¬
ler als das Blau am Himmel und eine ſchiefe Hoͤle,
deren Muͤndung gegen die Ewigkeit aufklafte, wuͤhlte
ſich ruͤckwaͤrts durch die Erde gegen Abend bis nach
Amerika hinab, wo die Sonne in die Oefnung ſchien
— und ein Strom von Abendroͤthe ſo breit wie ein
Grab ſchoß aufwaͤrts aus der Erde und legte ſich
mit ſeinem Abendſcheine an die neblichte Ewigkeit
wie duͤnne Flammen an. — Da zitterten Ihre Arme
ausgebreitet, da zitterten Ihre Lieder voll ſehnſuͤchti¬
ger Wonne, — da konnten wir und Sie die erleuch¬
tete Ewigkeit ganz ſehen. Aber ſie wechſelte ſchil¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0052" n="42"/>
denden Perlen waren aus ihren Augen oder ihre Au¬<lb/>
gen &#x017F;elber &#x2014; Hoch u&#x0364;ber ihnen &#x017F;tand der Vollmond<lb/>
im Blauen, aber auf der Erde war doch kein Licht,<lb/>
&#x017F;ondern ein blauer Schatten: denn das Himmelsblau<lb/>
war eine große blaue Wolke, bloß an einer Stelle<lb/>
vom Monde geo&#x0364;fnet, der nur auf die drei Paradies¬<lb/>
vo&#x0364;gel und unten auf eine helle von uns abgekehrte<lb/>
Ge&#x017F;talt Schimmer niedergoß &#x2014; Sie waren die&#x017F;e Ge¬<lb/>
&#x017F;talt und wendeten ihr Ange&#x017F;icht bloß gegen Morgen,<lb/>
gegen die ha&#x0364;ngende Land&#x017F;chaft als ob &#x017F;ie etwas da<lb/>
&#x017F;ogleich erblicken wu&#x0364;rden. Die Paradiesvo&#x0364;gel &#x017F;a&#x0364;eten<lb/>
die Perlen ha&#x0364;ufiger in Ihre Augen: »es &#x017F;ind die<lb/>
»Thra&#x0364;nen, die un&#x017F;ere Freundin weinen muß« &#x017F;agte<lb/>
Emanuel; auch fielen &#x017F;ie dann aus ihren Augen, aber<lb/>
lichter und blieben glimmend auf dem Blumenboden<lb/>
&#x017F;tehen. Das Blau auf der Erde wurde plo&#x0364;tzlich hel¬<lb/>
ler als das Blau am Himmel und eine &#x017F;chiefe Ho&#x0364;le,<lb/>
deren Mu&#x0364;ndung gegen die Ewigkeit aufklafte, wu&#x0364;hlte<lb/>
&#x017F;ich ru&#x0364;ckwa&#x0364;rts durch die Erde gegen Abend bis nach<lb/>
Amerika hinab, wo die Sonne in die Oefnung &#x017F;chien<lb/>
&#x2014; und ein Strom von Abendro&#x0364;the &#x017F;o breit wie ein<lb/>
Grab &#x017F;choß aufwa&#x0364;rts aus der Erde und legte &#x017F;ich<lb/>
mit &#x017F;einem Abend&#x017F;cheine an die neblichte Ewigkeit<lb/>
wie du&#x0364;nne Flammen an. &#x2014; Da zitterten Ihre Arme<lb/>
ausgebreitet, da zitterten Ihre Lieder voll &#x017F;ehn&#x017F;u&#x0364;chti¬<lb/>
ger Wonne, &#x2014; da konnten wir und Sie die erleuch¬<lb/>
tete Ewigkeit ganz &#x017F;ehen. Aber &#x017F;ie wech&#x017F;elte &#x017F;chil¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0052] denden Perlen waren aus ihren Augen oder ihre Au¬ gen ſelber — Hoch uͤber ihnen ſtand der Vollmond im Blauen, aber auf der Erde war doch kein Licht, ſondern ein blauer Schatten: denn das Himmelsblau war eine große blaue Wolke, bloß an einer Stelle vom Monde geoͤfnet, der nur auf die drei Paradies¬ voͤgel und unten auf eine helle von uns abgekehrte Geſtalt Schimmer niedergoß — Sie waren dieſe Ge¬ ſtalt und wendeten ihr Angeſicht bloß gegen Morgen, gegen die haͤngende Landſchaft als ob ſie etwas da ſogleich erblicken wuͤrden. Die Paradiesvoͤgel ſaͤeten die Perlen haͤufiger in Ihre Augen: »es ſind die »Thraͤnen, die unſere Freundin weinen muß« ſagte Emanuel; auch fielen ſie dann aus ihren Augen, aber lichter und blieben glimmend auf dem Blumenboden ſtehen. Das Blau auf der Erde wurde ploͤtzlich hel¬ ler als das Blau am Himmel und eine ſchiefe Hoͤle, deren Muͤndung gegen die Ewigkeit aufklafte, wuͤhlte ſich ruͤckwaͤrts durch die Erde gegen Abend bis nach Amerika hinab, wo die Sonne in die Oefnung ſchien — und ein Strom von Abendroͤthe ſo breit wie ein Grab ſchoß aufwaͤrts aus der Erde und legte ſich mit ſeinem Abendſcheine an die neblichte Ewigkeit wie duͤnne Flammen an. — Da zitterten Ihre Arme ausgebreitet, da zitterten Ihre Lieder voll ſehnſuͤchti¬ ger Wonne, — da konnten wir und Sie die erleuch¬ tete Ewigkeit ganz ſehen. Aber ſie wechſelte ſchil¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/52
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/52>, abgerufen am 24.11.2024.