gießen und ich würde vielleicht sagen: ach, sein Freund hat mehr verlohren als seine Freundin!
Klotilde.
Das Schlagen meines fremden Herzens misset mir das Schlagen des glücklichern ab. Aber eh' ich er¬ zähle, was Viktors Freude über diesen Brief anfangs störte und dann verdoppelte, sey es mir erlaubt, zwei gute Reflexionen zu machen. Die erste ist: die ver¬ größerte Empfindsamkeit ist in einer stolzen Brust (wie Klotildens), die sonst die Seufzer zurückholte und nur weibliche Satiren über uns Herren aus¬ schickte, das schönste Zeichen, daß ihr Herz im Sonnen¬ schein der Liebe zergehe. Denn diese kehret die Weiber um: sie macht aus einer Kolumbine eine Youngin, aus einer Ordentlichen eine Unordentliche, aus einer Feinen eine Offenherzige, aus einer Putz¬ macherin und Putzträgerin eine Philosophin und wie¬ der umgekehrt. -- Und du, liebe Philippine, prüfe die zweite Reflexion, da du jetzt so gut bist wie dein eigner Bruder: ist nicht das Verhehlen der Liebe das schönste Entdecken derselben? Zeigt nicht ein Schleier -- ein moralischer, mein' ich -- das ganze Gesicht und ist für nichts unzugänglich als für den Wind -- den moralischen, mein' ich --? De¬
gießen und ich wuͤrde vielleicht ſagen: ach, ſein Freund hat mehr verlohren als ſeine Freundin!
Klotilde.
Das Schlagen meines fremden Herzens miſſet mir das Schlagen des gluͤcklichern ab. Aber eh' ich er¬ zaͤhle, was Viktors Freude uͤber dieſen Brief anfangs ſtoͤrte und dann verdoppelte, ſey es mir erlaubt, zwei gute Reflexionen zu machen. Die erſte iſt: die ver¬ groͤßerte Empfindſamkeit iſt in einer ſtolzen Bruſt (wie Klotildens), die ſonſt die Seufzer zuruͤckholte und nur weibliche Satiren uͤber uns Herren aus¬ ſchickte, das ſchoͤnſte Zeichen, daß ihr Herz im Sonnen¬ ſchein der Liebe zergehe. Denn dieſe kehret die Weiber um: ſie macht aus einer Kolumbine eine Youngin, aus einer Ordentlichen eine Unordentliche, aus einer Feinen eine Offenherzige, aus einer Putz¬ macherin und Putztraͤgerin eine Philoſophin und wie¬ der umgekehrt. — Und du, liebe Philippine, pruͤfe die zweite Reflexion, da du jetzt ſo gut biſt wie dein eigner Bruder: iſt nicht das Verhehlen der Liebe das ſchoͤnſte Entdecken derſelben? Zeigt nicht ein Schleier — ein moraliſcher, mein' ich — das ganze Geſicht und iſt fuͤr nichts unzugaͤnglich als fuͤr den Wind — den moraliſchen, mein' ich —? De¬
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gießen und ich wuͤrde vielleicht ſagen: ach, ſein
Freund hat mehr verlohren als ſeine Freundin!
Klotilde.
Das Schlagen meines fremden Herzens miſſet mir
das Schlagen des gluͤcklichern ab. Aber eh' ich er¬
zaͤhle, was Viktors Freude uͤber dieſen Brief anfangs
ſtoͤrte und dann verdoppelte, ſey es mir erlaubt, zwei
gute Reflexionen zu machen. Die erſte iſt: die ver¬
groͤßerte Empfindſamkeit iſt in einer ſtolzen Bruſt
(wie Klotildens), die ſonſt die Seufzer zuruͤckholte
und nur weibliche Satiren uͤber uns Herren aus¬
ſchickte, das ſchoͤnſte Zeichen, daß ihr Herz im Sonnen¬
ſchein der Liebe zergehe. Denn dieſe kehret die
Weiber um: ſie macht aus einer Kolumbine eine
Youngin, aus einer Ordentlichen eine Unordentliche,
aus einer Feinen eine Offenherzige, aus einer Putz¬
macherin und Putztraͤgerin eine Philoſophin und wie¬
der umgekehrt. — Und du, liebe Philippine,
pruͤfe die zweite Reflexion, da du jetzt ſo gut biſt
wie dein eigner Bruder: iſt nicht das Verhehlen der
Liebe das ſchoͤnſte Entdecken derſelben? Zeigt nicht
ein Schleier — ein moraliſcher, mein' ich — das
ganze Geſicht und iſt fuͤr nichts unzugaͤnglich als fuͤr
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/65>, abgerufen am 25.11.2024.
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