"thal" -- und ging fliegend zu den Worten über: "O gerade heute vor einem Jahre gingst du mit."
Flamin unterfuhr ihn und das Eisgesicht wurde wie ein Hekla, von Flammen zerspalten:" So so! -- Zu Pfingsten? -- "Nach Kusseviz gehst du nicht "mit uns! -- Laß mich doch einmal recht ausreden, "Viktor!" -- Sie blieben also stehen. Flamin streifte die Blüten und Blätter von einem Schlehen¬ ast mit blutiger Hand und blickte seinen sanften Freund nicht an, um nicht erweicht zu werden. "Heute vor einem Jahre, sagst du? Sieh da ging "ich eben Abends mit dir auf die Warte und wir "versprachen uns entweder Treue oder Mord -- "Du schwurst mir, dich hinabzustürzen mit mir, "wenn du mir alles genommen hättest, alles -- Bin "ich denn blind? Seh' ich denn nicht, die Maschine¬ "rie mit ihrer und deiner Reise ist abgekartet? -- "Was thust du mit den Maienthaler Landschaften "gerade jetzt? Wem gehört der Hut? -- Und was "soll ich mir aus allem nehmen? -- Wem, wem? "sag's sag's -- O Gott! wenn's wahr wäre! -- Hilf "mir, Viktor!" -- Dem gemißhandelten heute er¬ schöpften Vittor standen die bittersten Thränen in den Augen, die aber Flamin, der sich durch sein ei¬ gnes Sprechen erzürnte, jetzt ertragen konnte. Nie¬ mals nahm dieser in einer Ergrimmung Vorstellungen an: gleichwohl erwartete er sie und staunte über
»thal« — und ging fliegend zu den Worten uͤber: »O gerade heute vor einem Jahre gingſt du mit.«
Flamin unterfuhr ihn und das Eisgeſicht wurde wie ein Hekla, von Flammen zerſpalten:« So ſo! — Zu Pfingſten? — »Nach Kuſſeviz gehſt du nicht »mit uns! — Laß mich doch einmal recht ausreden, »Viktor!« — Sie blieben alſo ſtehen. Flamin ſtreifte die Bluͤten und Blaͤtter von einem Schlehen¬ aſt mit blutiger Hand und blickte ſeinen ſanften Freund nicht an, um nicht erweicht zu werden. »Heute vor einem Jahre, ſagſt du? Sieh da ging »ich eben Abends mit dir auf die Warte und wir »verſprachen uns entweder Treue oder Mord — »Du ſchwurſt mir, dich hinabzuſtuͤrzen mit mir, »wenn du mir alles genommen haͤtteſt, alles — Bin »ich denn blind? Seh' ich denn nicht, die Maſchine¬ »rie mit ihrer und deiner Reiſe iſt abgekartet? — »Was thuſt du mit den Maienthaler Landſchaften »gerade jetzt? Wem gehoͤrt der Hut? — Und was »ſoll ich mir aus allem nehmen? — Wem, wem? »ſag's ſag's — O Gott! wenn's wahr waͤre! — Hilf »mir, Viktor!« — Dem gemißhandelten heute er¬ ſchoͤpften Vittor ſtanden die bitterſten Thraͤnen in den Augen, die aber Flamin, der ſich durch ſein ei¬ gnes Sprechen erzuͤrnte, jetzt ertragen konnte. Nie¬ mals nahm dieſer in einer Ergrimmung Vorſtellungen an: gleichwohl erwartete er ſie und ſtaunte uͤber
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»thal« — und ging fliegend zu den Worten uͤber:
»O gerade heute vor einem Jahre gingſt du mit.«
Flamin unterfuhr ihn und das Eisgeſicht wurde
wie ein Hekla, von Flammen zerſpalten:« So ſo!
— Zu Pfingſten? — »Nach Kuſſeviz gehſt du nicht
»mit uns! — Laß mich doch einmal recht ausreden,
»Viktor!« — Sie blieben alſo ſtehen. Flamin
ſtreifte die Bluͤten und Blaͤtter von einem Schlehen¬
aſt mit blutiger Hand und blickte ſeinen ſanften
Freund nicht an, um nicht erweicht zu werden.
»Heute vor einem Jahre, ſagſt du? Sieh da ging
»ich eben Abends mit dir auf die Warte und wir
»verſprachen uns entweder Treue oder Mord —
»Du ſchwurſt mir, dich hinabzuſtuͤrzen mit mir,
»wenn du mir alles genommen haͤtteſt, alles — Bin
»ich denn blind? Seh' ich denn nicht, die Maſchine¬
»rie mit ihrer und deiner Reiſe iſt abgekartet? —
»Was thuſt du mit den Maienthaler Landſchaften
»gerade jetzt? Wem gehoͤrt der Hut? — Und was
»ſoll ich mir aus allem nehmen? — Wem, wem?
»ſag's ſag's — O Gott! wenn's wahr waͤre! — Hilf
»mir, Viktor!« — Dem gemißhandelten heute er¬
ſchoͤpften Vittor ſtanden die bitterſten Thraͤnen in
den Augen, die aber Flamin, der ſich durch ſein ei¬
gnes Sprechen erzuͤrnte, jetzt ertragen konnte. Nie¬
mals nahm dieſer in einer Ergrimmung Vorſtellungen
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/83>, abgerufen am 25.11.2024.
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