19. Summula.
Monds-Belustigungen.
Auf der kurzen Fahrt nach Fugnitz wurde sehr
geschwiegen. Der Edelmann sah den nahen Lu-
nens Abend mitten im Sonnenlichte schimmern
und der Mondscheiu mattete sich aus dieser
Seelen-Ferne geschauet, zu einem zweyten
zärtern ab. Theoda sah die niedergehende
Sonne an und ihr Vater den Hasen. Die stille
Gesellschaft hatte den Schein einer verstimmten;
gleichwol blühte hinter allen äußern Knochen-
Gittern ein voller hängender Garten. Woher
kommts, daß der Mensch -- sogar der selber,
der in solchen Dunkel überwölbter Herzens-
Paradiesen schwelgt und schweigt -- gleichwol
so schwer Verstummen für Entzücken hält, als
fehle nur dem Schmerz die Zunge, als thue
blos die Nonne das Gelübde des Schweigens,
nicht auch die Braut, und als geb' es nicht eben
so gut stumme Engel wie stumme Teufel?
19. Summula.
Monds-Beluſtigungen.
Auf der kurzen Fahrt nach Fugnitz wurde ſehr
geſchwiegen. Der Edelmann ſah den nahen Lu-
nens Abend mitten im Sonnenlichte ſchimmern
und der Mondſcheiu mattete ſich aus dieſer
Seelen-Ferne geſchauet, zu einem zweyten
zaͤrtern ab. Theoda ſah die niedergehende
Sonne an und ihr Vater den Haſen. Die ſtille
Geſellſchaft hatte den Schein einer verſtimmten;
gleichwol bluͤhte hinter allen äußern Knochen-
Gittern ein voller haͤngender Garten. Woher
kommts, daß der Menſch — ſogar der ſelber,
der in ſolchen Dunkel uͤberwoͤlbter Herzens-
Paradieſen ſchwelgt und ſchweigt — gleichwol
ſo ſchwer Verſtummen fuͤr Entzuͤcken hält, als
fehle nur dem Schmerz die Zunge, als thue
blos die Nonne das Geluͤbde des Schweigens,
nicht auch die Braut, und als geb’ es nicht eben
ſo gut ſtumme Engel wie ſtumme Teufel?
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19. Summula.
Monds-Beluſtigungen.
Auf der kurzen Fahrt nach Fugnitz wurde ſehr
geſchwiegen. Der Edelmann ſah den nahen Lu-
nens Abend mitten im Sonnenlichte ſchimmern
und der Mondſcheiu mattete ſich aus dieſer
Seelen-Ferne geſchauet, zu einem zweyten
zaͤrtern ab. Theoda ſah die niedergehende
Sonne an und ihr Vater den Haſen. Die ſtille
Geſellſchaft hatte den Schein einer verſtimmten;
gleichwol bluͤhte hinter allen äußern Knochen-
Gittern ein voller haͤngender Garten. Woher
kommts, daß der Menſch — ſogar der ſelber,
der in ſolchen Dunkel uͤberwoͤlbter Herzens-
Paradieſen ſchwelgt und ſchweigt — gleichwol
ſo ſchwer Verſtummen fuͤr Entzuͤcken hält, als
fehle nur dem Schmerz die Zunge, als thue
blos die Nonne das Geluͤbde des Schweigens,
nicht auch die Braut, und als geb’ es nicht eben
ſo gut ſtumme Engel wie ſtumme Teufel?