erschienen ist; [d]enn ausstreichen, was ich ein- mal an Dich geschrieben, kann ich aus Ehrlich- keit unmöglich; ich sage Dir ja alles, und nehme mir kein Blatt vors Maul, warum ein Blatt vors Blatt..."
Da erschien Nieß und wollte seine eben er- haltene Nachricht übergeben. Sie empfing ihn, in der vaterlosen Einsamkeit, mit keinem grö- ßern Feuer, wie er doch gedacht, sondern mit einigem Maireif, der aus dem Tagebuche auf das Gesicht gefallen war. Sofort behielt er seine Selbstbriefwechsel in der Tasche, und beschenkte sie und ihren abwesenden Vater bloß mit der Einladung, Mittags seine Gäste, und Abends seine Zuhörer zu seyn. Auch wunderte er sich innerlich sehr, warum er nicht sogleich darauf gefallen, ihr das Blättchen erst an der Tafel zu geben, und dadurch der Tafel zugleich; "ein Briefwechsel mit dem Dichter selber, (dacht' er), müßte, sollt ich denken, dem Deklamator dessel- ben, vorläufige Ehre, und nachlaufende Zuhö- rer eintragen."
erſchienen iſt; [d]enn ausſtreichen, was ich ein- mal an Dich geſchrieben, kann ich aus Ehrlich- keit unmoͤglich; ich ſage Dir ja alles, und nehme mir kein Blatt vors Maul, warum ein Blatt vors Blatt…”
Da erſchien Nieß und wollte ſeine eben er- haltene Nachricht uͤbergeben. Sie empfing ihn, in der vaterloſen Einſamkeit, mit keinem groͤ- ßern Feuer, wie er doch gedacht, ſondern mit einigem Maireif, der aus dem Tagebuche auf das Geſicht gefallen war. Sofort behielt er ſeine Selbſtbriefwechſel in der Taſche, und beſchenkte ſie und ihren abweſenden Vater bloß mit der Einladung, Mittags ſeine Gaͤſte, und Abends ſeine Zuhörer zu ſeyn. Auch wunderte er ſich innerlich ſehr, warum er nicht ſogleich darauf gefallen, ihr das Blaͤttchen erſt an der Tafel zu geben, und dadurch der Tafel zugleich; „ein Briefwechſel mit dem Dichter ſelber, (dacht’ er), muͤßte, ſollt ich denken, dem Deklamator deſſel- ben, vorlaͤufige Ehre, und nachlaufende Zuhoͤ- rer eintragen.”
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0154"n="136"/>
erſchienen iſt; <supplied>d</supplied>enn ausſtreichen, was ich ein-<lb/>
mal an Dich geſchrieben, kann ich aus Ehrlich-<lb/>
keit unmoͤglich; ich ſage Dir ja alles, und nehme<lb/>
mir kein Blatt vors Maul, warum ein Blatt<lb/>
vors Blatt…”</p><lb/><p>Da erſchien Nieß und wollte ſeine eben er-<lb/>
haltene Nachricht uͤbergeben. Sie empfing ihn,<lb/>
in der vaterloſen Einſamkeit, mit keinem groͤ-<lb/>
ßern Feuer, wie er doch gedacht, ſondern mit<lb/>
einigem Maireif, der aus dem Tagebuche auf<lb/>
das Geſicht gefallen war. Sofort behielt er ſeine<lb/>
Selbſtbriefwechſel in der Taſche, und beſchenkte<lb/>ſie und ihren abweſenden Vater bloß mit der<lb/>
Einladung, Mittags ſeine Gaͤſte, und Abends<lb/>ſeine Zuhörer zu ſeyn. Auch wunderte er ſich<lb/>
innerlich ſehr, warum er nicht ſogleich darauf<lb/>
gefallen, ihr das Blaͤttchen erſt an der Tafel zu<lb/>
geben, und dadurch der Tafel zugleich; „ein<lb/>
Briefwechſel mit dem Dichter ſelber, (dacht’ er),<lb/>
muͤßte, ſollt ich denken, dem Deklamator deſſel-<lb/>
ben, vorlaͤufige Ehre, und nachlaufende Zuhoͤ-<lb/>
rer eintragen.”</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[136/0154]
erſchienen iſt; denn ausſtreichen, was ich ein-
mal an Dich geſchrieben, kann ich aus Ehrlich-
keit unmoͤglich; ich ſage Dir ja alles, und nehme
mir kein Blatt vors Maul, warum ein Blatt
vors Blatt…”
Da erſchien Nieß und wollte ſeine eben er-
haltene Nachricht uͤbergeben. Sie empfing ihn,
in der vaterloſen Einſamkeit, mit keinem groͤ-
ßern Feuer, wie er doch gedacht, ſondern mit
einigem Maireif, der aus dem Tagebuche auf
das Geſicht gefallen war. Sofort behielt er ſeine
Selbſtbriefwechſel in der Taſche, und beſchenkte
ſie und ihren abweſenden Vater bloß mit der
Einladung, Mittags ſeine Gaͤſte, und Abends
ſeine Zuhörer zu ſeyn. Auch wunderte er ſich
innerlich ſehr, warum er nicht ſogleich darauf
gefallen, ihr das Blaͤttchen erſt an der Tafel zu
geben, und dadurch der Tafel zugleich; „ein
Briefwechſel mit dem Dichter ſelber, (dacht’ er),
muͤßte, ſollt ich denken, dem Deklamator deſſel-
ben, vorlaͤufige Ehre, und nachlaufende Zuhoͤ-
rer eintragen.”
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/154>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.