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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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tanzen ließ, da erinner' ich mich noch wohl, daß
ich einmal eine ideale Welt gebauet, wo die Na-
tur den Körper ganz entgegengesetzt mit der Seele
verbunden hatte. Es war nach der Auferste-
hung (so dichtete ich); ich stieg in größter Freude
aus dem Grabe, aber die Freude, statt daß sie
jetzt die Haut gelinde öffnet, drückte sich bey mir,
und bey meinen Freunden, durch Erbrechen aus.
Da ich mich schämte wegen meiner Blöße, so
wurde ich nicht roth, sondern sogenannt preu-
ßisch Grün, wie ein Grünspecht. -- Beym
Zorn sonderten sämtliche Auferstandne bloß album
graecum
ab. -- Bey den zärtern Empfindun-
gen der Liebe, bekam man eine Gänsehaut, und
die Farbe von Gänse-Schwarz, was aber die
Sachsen Gänse-Sauer nennen. -- Jedes freund-
liche Wort war mit Gallergießungen verknüpft,
jedes scharfe Nachdenken mit Schlucken und Nie-
sen, geringe Freude mit Gähnen. -- Bey ei-
nem rührendem Abschied floß statt der Thränen
viel Speichel. -- Betrübnis wirkte nicht wie
bey uns auf verminderten Pulsschlag, sondern
auf Wolfs- und Ochsen Hunger und Fieber-

tanzen ließ, da erinner’ ich mich noch wohl, daß
ich einmal eine ideale Welt gebauet, wo die Na-
tur den Koͤrper ganz entgegengeſetzt mit der Seele
verbunden hatte. Es war nach der Auferſte-
hung (ſo dichtete ich); ich ſtieg in groͤßter Freude
aus dem Grabe, aber die Freude, ſtatt daß ſie
jetzt die Haut gelinde öffnet, druͤckte ſich bey mir,
und bey meinen Freunden, durch Erbrechen aus.
Da ich mich ſchaͤmte wegen meiner Bloͤße, ſo
wurde ich nicht roth, ſondern ſogenannt preu-
ßiſch Gruͤn, wie ein Gruͤnſpecht. — Beym
Zorn ſonderten ſaͤmtliche Auferſtandne bloß album
graecum
ab. — Bey den zaͤrtern Empfindun-
gen der Liebe, bekam man eine Gaͤnſehaut, und
die Farbe von Gaͤnſe-Schwarz, was aber die
Sachſen Gaͤnſe-Sauer nennen. — Jedes freund-
liche Wort war mit Gallergießungen verknuͤpft,
jedes ſcharfe Nachdenken mit Schlucken und Nie-
ſen, geringe Freude mit Gaͤhnen. — Bey ei-
nem ruͤhrendem Abſchied floß ſtatt der Thränen
viel Speichel. — Betruͤbnis wirkte nicht wie
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auf Wolfs- und Ochſen Hunger und Fieber-

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[143/0161] tanzen ließ, da erinner’ ich mich noch wohl, daß ich einmal eine ideale Welt gebauet, wo die Na- tur den Koͤrper ganz entgegengeſetzt mit der Seele verbunden hatte. Es war nach der Auferſte- hung (ſo dichtete ich); ich ſtieg in groͤßter Freude aus dem Grabe, aber die Freude, ſtatt daß ſie jetzt die Haut gelinde öffnet, druͤckte ſich bey mir, und bey meinen Freunden, durch Erbrechen aus. Da ich mich ſchaͤmte wegen meiner Bloͤße, ſo wurde ich nicht roth, ſondern ſogenannt preu- ßiſch Gruͤn, wie ein Gruͤnſpecht. — Beym Zorn ſonderten ſaͤmtliche Auferſtandne bloß album graecum ab. — Bey den zaͤrtern Empfindun- gen der Liebe, bekam man eine Gaͤnſehaut, und die Farbe von Gaͤnſe-Schwarz, was aber die Sachſen Gaͤnſe-Sauer nennen. — Jedes freund- liche Wort war mit Gallergießungen verknuͤpft, jedes ſcharfe Nachdenken mit Schlucken und Nie- ſen, geringe Freude mit Gaͤhnen. — Bey ei- nem ruͤhrendem Abſchied floß ſtatt der Thränen viel Speichel. — Betruͤbnis wirkte nicht wie bey uns auf verminderten Pulsſchlag, ſondern auf Wolfs- und Ochſen Hunger und Fieber-

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/161>, abgerufen am 21.11.2024.