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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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Durst, und ich sah viele Betrübte Leichentrunk
und Leichenessen zugleich einschlucken. -- Die
Furcht schmückte mit feinem Wangenroth. --
Und feurige aber zarte Zuneigung der Ehegat-
ten verrieth sich, wie jetzt unser Grausen, mit
Haarbergan, mit kaltem Schweiß und Lähmung
der Arme. -- Ja, als...."

Aber hier lenkte der vorsorgende Brunnenarzt
den ungetreuen Dichterstrom durch die Frage
seitwärts: "Artig, sehr artig, und wie Haller,
wahrer Dichter und Arzt zugleich! -- Aber Sie
haben sich gewiß vorhin in der Wirklichkeit schö-
ner gefühlt, da Sie aufmerksam unsern schö-
nen Damenzirkel durchliefen?" -- "Allerdings,
versetzte er, und ich thue es auch in jeder neuen
Gesellschaft in der Hoffnung, endlich einmal
ein Monstrum darunter zu finden. Denn jetzt
bin ich der blühende schwärmerische Jüngling
nicht mehr, der sonst vor jeder schönen Ge-
stalt oder Brust außer sich ausrief: "Rumpf ei-
ner Götrin! Brustkasten für einen Gott! Und
das feine Hautwarzensystem, und das Malpi-
phische Schleimnetz und die empfindsamen Ner-

Durſt, und ich ſah viele Betruͤbte Leichentrunk
und Leicheneſſen zugleich einſchlucken. — Die
Furcht ſchmuͤckte mit feinem Wangenroth. —
Und feurige aber zarte Zuneigung der Ehegat-
ten verrieth ſich, wie jetzt unſer Grauſen, mit
Haarbergan, mit kaltem Schweiß und Laͤhmung
der Arme. — Ja, als.…”

Aber hier lenkte der vorſorgende Brunnenarzt
den ungetreuen Dichterſtrom durch die Frage
ſeitwaͤrts: „Artig, ſehr artig, und wie Haller,
wahrer Dichter und Arzt zugleich! — Aber Sie
haben ſich gewiß vorhin in der Wirklichkeit ſchoͤ-
ner gefuͤhlt, da Sie aufmerkſam unſern ſchoͤ-
nen Damenzirkel durchliefen?” — „Allerdings,
verſetzte er, und ich thue es auch in jeder neuen
Geſellſchaft in der Hoffnung, endlich einmal
ein Monſtrum darunter zu finden. Denn jetzt
bin ich der bluͤhende ſchwaͤrmeriſche Juͤngling
nicht mehr, der ſonſt vor jeder ſchoͤnen Ge-
ſtalt oder Bruſt außer ſich ausrief: „Rumpf ei-
ner Goͤtrin! Bruſtkaſten fuͤr einen Gott! Und
das feine Hautwarzenſyſtem, und das Malpi-
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[144/0162] Durſt, und ich ſah viele Betruͤbte Leichentrunk und Leicheneſſen zugleich einſchlucken. — Die Furcht ſchmuͤckte mit feinem Wangenroth. — Und feurige aber zarte Zuneigung der Ehegat- ten verrieth ſich, wie jetzt unſer Grauſen, mit Haarbergan, mit kaltem Schweiß und Laͤhmung der Arme. — Ja, als.…” Aber hier lenkte der vorſorgende Brunnenarzt den ungetreuen Dichterſtrom durch die Frage ſeitwaͤrts: „Artig, ſehr artig, und wie Haller, wahrer Dichter und Arzt zugleich! — Aber Sie haben ſich gewiß vorhin in der Wirklichkeit ſchoͤ- ner gefuͤhlt, da Sie aufmerkſam unſern ſchoͤ- nen Damenzirkel durchliefen?” — „Allerdings, verſetzte er, und ich thue es auch in jeder neuen Geſellſchaft in der Hoffnung, endlich einmal ein Monſtrum darunter zu finden. Denn jetzt bin ich der bluͤhende ſchwaͤrmeriſche Juͤngling nicht mehr, der ſonſt vor jeder ſchoͤnen Ge- ſtalt oder Bruſt außer ſich ausrief: „Rumpf ei- ner Goͤtrin! Bruſtkaſten fuͤr einen Gott! Und das feine Hautwarzenſyſtem, und das Malpi- phiſche Schleimnetz und die empfindſamen Ner-

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/162>, abgerufen am 24.11.2024.