Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

und der Wärme! Schick uns den weißen sanf-
ten Schwan, der dir heilig ist, und baue mit
deiner reinen Leier die Menschheit wieder auf,
welche Mißtöne zertrümmert haben! -- Gib uns
Liebe und Friede, das bleibe unser letztes Ge-
bet! -- Ach der Dädalus der Menschheit, die
Zeit, schloß uns Statuen die Augen auf, hob
unsre Hände empor, und band die Füße los; --
aber siehe, plötzlich zerschlagen die Statuen wie
emporwachsende Drachenzähne einander selber,
und stürzen, wie jene Rosenkreuzerische Sta-
tue, die ewige Lampe um, die sie gehütet
haben.

Aber wenn du über den letzten Tag des Jahr-
hunderts gezogen bist, und über schönere Saa-
ten unter dem Winter, als jetzt vermodern --
und wenn der letzten Nacht des Säkulums
dein lieblicher verklärter Friedensengel, der Mond,
ins erblassende Antliz schauet: Ach! wirst du
dann noch, segnendes Gestirn, unter unsern
Füßen auf eine ganz neue Welt voll geraub-

und der Wärme! Schick uns den weißen ſanf-
ten Schwan, der dir heilig iſt, und baue mit
deiner reinen Leier die Menſchheit wieder auf,
welche Mißtoͤne zertrümmert haben! — Gib uns
Liebe und Friede, das bleibe unſer letztes Ge-
bet! — Ach der Daͤdalus der Menſchheit, die
Zeit, ſchloß uns Statuen die Augen auf, hob
unſre Haͤnde empor, und band die Fuͤße los; —
aber ſiehe, ploͤtzlich zerſchlagen die Statuen wie
emporwachſende Drachenzaͤhne einander ſelber,
und ſtuͤrzen, wie jene Roſenkreuzeriſche Sta-
tue, die ewige Lampe um, die ſie gehuͤtet
haben.

Aber wenn du uͤber den letzten Tag des Jahr-
hunderts gezogen biſt, und uͤber ſchoͤnere Saa-
ten unter dem Winter, als jetzt vermodern —
und wenn der letzten Nacht des Saͤkulums
dein lieblicher verklaͤrter Friedensengel, der Mond,
ins erblaſſende Antliz ſchauet: Ach! wirſt du
dann noch, ſegnendes Geſtirn, unter unſern
Fuͤßen auf eine ganz neue Welt voll geraub-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0198" n="180"/>
und der Wärme! Schick uns den weißen &#x017F;anf-<lb/>
ten Schwan, der dir heilig i&#x017F;t, und baue mit<lb/>
deiner reinen Leier die Men&#x017F;chheit wieder auf,<lb/>
welche Mißto&#x0364;ne zertrümmert haben! &#x2014; Gib uns<lb/>
Liebe und Friede, das bleibe un&#x017F;er letztes Ge-<lb/>
bet! &#x2014; Ach der Da&#x0364;dalus der Men&#x017F;chheit, die<lb/>
Zeit, &#x017F;chloß uns Statuen die Augen auf, hob<lb/>
un&#x017F;re Ha&#x0364;nde empor, und band die Fu&#x0364;ße los; &#x2014;<lb/>
aber &#x017F;iehe, plo&#x0364;tzlich zer&#x017F;chlagen die Statuen wie<lb/>
emporwach&#x017F;ende Drachenza&#x0364;hne einander &#x017F;elber,<lb/>
und &#x017F;tu&#x0364;rzen, wie jene Ro&#x017F;enkreuzeri&#x017F;che Sta-<lb/>
tue, die ewige Lampe um, die &#x017F;ie gehu&#x0364;tet<lb/>
haben.</p><lb/>
        <p>Aber wenn du u&#x0364;ber den letzten Tag des Jahr-<lb/>
hunderts gezogen bi&#x017F;t, und u&#x0364;ber &#x017F;cho&#x0364;nere Saa-<lb/>
ten unter dem Winter, als jetzt vermodern &#x2014;<lb/>
und wenn der letzten Nacht des Sa&#x0364;kulums<lb/>
dein lieblicher verkla&#x0364;rter Friedensengel, der Mond,<lb/>
ins erbla&#x017F;&#x017F;ende Antliz &#x017F;chauet: Ach! wir&#x017F;t du<lb/>
dann noch, &#x017F;egnendes Ge&#x017F;tirn, unter un&#x017F;ern<lb/>
Fu&#x0364;ßen auf eine ganz neue Welt voll geraub-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0198] und der Wärme! Schick uns den weißen ſanf- ten Schwan, der dir heilig iſt, und baue mit deiner reinen Leier die Menſchheit wieder auf, welche Mißtoͤne zertrümmert haben! — Gib uns Liebe und Friede, das bleibe unſer letztes Ge- bet! — Ach der Daͤdalus der Menſchheit, die Zeit, ſchloß uns Statuen die Augen auf, hob unſre Haͤnde empor, und band die Fuͤße los; — aber ſiehe, ploͤtzlich zerſchlagen die Statuen wie emporwachſende Drachenzaͤhne einander ſelber, und ſtuͤrzen, wie jene Roſenkreuzeriſche Sta- tue, die ewige Lampe um, die ſie gehuͤtet haben. Aber wenn du uͤber den letzten Tag des Jahr- hunderts gezogen biſt, und uͤber ſchoͤnere Saa- ten unter dem Winter, als jetzt vermodern — und wenn der letzten Nacht des Saͤkulums dein lieblicher verklaͤrter Friedensengel, der Mond, ins erblaſſende Antliz ſchauet: Ach! wirſt du dann noch, ſegnendes Geſtirn, unter unſern Fuͤßen auf eine ganz neue Welt voll geraub-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/198
Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/198>, abgerufen am 24.11.2024.