Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

schätzbar als starkes Gähnen. Nach Haller ist
man so lange taub, als man gähnt, und die
gütige Natur schreibt also selber das Gähnen
als das nächste Schirmmittel gegen langweilige
Einwirkungen vor. Ein Einhöriger aber er-
reicht denselben Zweck, nur aber viel höflicher,
wenn er die Hand, anstatt vor den Mund,
unter leichtem Vorwand vor das Hör-Ohr
hält, wie ich und solange aufmerksam ausruht,
als das Zerrtonstück dauert. Göthe wünscht
den Zuhörern Unsichtbarkeit der Spieler, näm-
lich ihrer Geberdung; wer nun noch Unhör-
barkeit künstlich dazu setzen kann, hat, glaub'
ich, alle Vortheile verknüpft, die von schlechten
Konzerten zu ziehen sind. In guten gewinnt
ein Mann, der steht und geht, noch größere
durch Einhörigkeit; denn er kann, so oft ne-
ben seinem gesunden Ohre Lob- und andere
Sprüche wie Prosa die zarte Poesie des Tö-
nens stören und quälen, sich leicht so gut weg-
stellen, daß er der rohen Klapperjagd neben
sich geradehin das todte Ohr zukehrt.

Im Schauspielhause ist Einhörigkeit

ſchätzbar als ſtarkes Gaͤhnen. Nach Haller iſt
man ſo lange taub, als man gaͤhnt, und die
guͤtige Natur ſchreibt alſo ſelber das Gaͤhnen
als das naͤchſte Schirmmittel gegen langweilige
Einwirkungen vor. Ein Einhoͤriger aber er-
reicht denſelben Zweck, nur aber viel hoͤflicher,
wenn er die Hand, anſtatt vor den Mund,
unter leichtem Vorwand vor das Hoͤr-Ohr
haͤlt, wie ich und ſolange aufmerkſam ausruht,
als das Zerrtonſtuͤck dauert. Goͤthe wuͤnſcht
den Zuhoͤrern Unſichtbarkeit der Spieler, naͤm-
lich ihrer Geberdung; wer nun noch Unhör-
barkeit kuͤnſtlich dazu ſetzen kann, hat, glaub’
ich, alle Vortheile verknuͤpft, die von ſchlechten
Konzerten zu ziehen ſind. In guten gewinnt
ein Mann, der ſteht und geht, noch groͤßere
durch Einhoͤrigkeit; denn er kann, ſo oft ne-
ben ſeinem geſunden Ohre Lob- und andere
Spruͤche wie Proſa die zarte Poeſie des Toͤ-
nens ſtoͤren und quaͤlen, ſich leicht ſo gut weg-
ſtellen, daß er der rohen Klapperjagd neben
ſich geradehin das todte Ohr zukehrt.

Im Schauſpielhauſe iſt Einhoͤrigkeit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0200" n="194"/>
&#x017F;chätzbar als &#x017F;tarkes Ga&#x0364;hnen. Nach Haller i&#x017F;t<lb/>
man &#x017F;o lange taub, als man ga&#x0364;hnt, und die<lb/>
gu&#x0364;tige Natur &#x017F;chreibt al&#x017F;o &#x017F;elber das Ga&#x0364;hnen<lb/>
als das na&#x0364;ch&#x017F;te Schirmmittel gegen langweilige<lb/>
Einwirkungen vor. Ein Einho&#x0364;riger aber er-<lb/>
reicht den&#x017F;elben Zweck, nur aber viel ho&#x0364;flicher,<lb/>
wenn er die Hand, an&#x017F;tatt vor den Mund,<lb/>
unter leichtem Vorwand vor das Ho&#x0364;r-Ohr<lb/>
ha&#x0364;lt, wie ich und &#x017F;olange aufmerk&#x017F;am ausruht,<lb/>
als das Zerrton&#x017F;tu&#x0364;ck dauert. Go&#x0364;the wu&#x0364;n&#x017F;cht<lb/>
den Zuho&#x0364;rern Un&#x017F;ichtbarkeit der Spieler, na&#x0364;m-<lb/>
lich ihrer Geberdung; wer nun noch Unhör-<lb/>
barkeit ku&#x0364;n&#x017F;tlich dazu &#x017F;etzen kann, hat, glaub&#x2019;<lb/>
ich, alle Vortheile verknu&#x0364;pft, die von &#x017F;chlechten<lb/>
Konzerten zu ziehen &#x017F;ind. In guten gewinnt<lb/>
ein Mann, der &#x017F;teht und geht, noch gro&#x0364;ßere<lb/>
durch Einho&#x0364;rigkeit; denn er kann, &#x017F;o oft ne-<lb/>
ben &#x017F;einem ge&#x017F;unden Ohre Lob- und andere<lb/>
Spru&#x0364;che wie Pro&#x017F;a die zarte Poe&#x017F;ie des To&#x0364;-<lb/>
nens &#x017F;to&#x0364;ren und qua&#x0364;len, &#x017F;ich leicht &#x017F;o gut weg-<lb/>
&#x017F;tellen, daß er der rohen Klapperjagd neben<lb/>
&#x017F;ich geradehin das todte Ohr zukehrt.</p><lb/>
        <p>Im <hi rendition="#g">Schau&#x017F;pielhau&#x017F;e</hi> i&#x017F;t Einho&#x0364;rigkeit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0200] ſchätzbar als ſtarkes Gaͤhnen. Nach Haller iſt man ſo lange taub, als man gaͤhnt, und die guͤtige Natur ſchreibt alſo ſelber das Gaͤhnen als das naͤchſte Schirmmittel gegen langweilige Einwirkungen vor. Ein Einhoͤriger aber er- reicht denſelben Zweck, nur aber viel hoͤflicher, wenn er die Hand, anſtatt vor den Mund, unter leichtem Vorwand vor das Hoͤr-Ohr haͤlt, wie ich und ſolange aufmerkſam ausruht, als das Zerrtonſtuͤck dauert. Goͤthe wuͤnſcht den Zuhoͤrern Unſichtbarkeit der Spieler, naͤm- lich ihrer Geberdung; wer nun noch Unhör- barkeit kuͤnſtlich dazu ſetzen kann, hat, glaub’ ich, alle Vortheile verknuͤpft, die von ſchlechten Konzerten zu ziehen ſind. In guten gewinnt ein Mann, der ſteht und geht, noch groͤßere durch Einhoͤrigkeit; denn er kann, ſo oft ne- ben ſeinem geſunden Ohre Lob- und andere Spruͤche wie Proſa die zarte Poeſie des Toͤ- nens ſtoͤren und quaͤlen, ſich leicht ſo gut weg- ſtellen, daß er der rohen Klapperjagd neben ſich geradehin das todte Ohr zukehrt. Im Schauſpielhauſe iſt Einhoͤrigkeit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/200
Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/200>, abgerufen am 21.11.2024.