Jeder Deutsche hat Jahre, wo er über neue Auflagen des Vademekums in Gesellschaf- ten ergrimmt -- über die mündlichen Geschäfts- briefe der Geschäftsmänner -- über die lang- weilige Theaterjournalistik des Kriegsthea- ters. --
Jeder Deutsche hat seine Zeit, wo er wünscht, die übrigen Deutschen möchten sich mehr aufs Reden legen, da sie ungleich den Kindern, früher schreiben als sprechen gelernt, und wo er auf Sprechklubs in London und auf bureaux d'esprit in Paris für sie dringt, damit sie, sagt' er, eine lebendige Sprache mehr lebendig als zu todt reden, und nicht, wie Muscheln, die besten Perlen erst durch langes Modern aufdecken und hergeben -- --
Und so weiter; denn jeder Deutsche klagt hauptsächlich, daß der andere gesellig lieber Er- zählungen mache als Bemerkungen -- lieber fremde Einfälle als eigne -- lieber die längsten Erzählungen als schöne -- lieber Berichte als contes -- lieber Stichworte des Spiels als sonst ein gutes Wort. --
Jeder Deutſche hat Jahre, wo er uͤber neue Auflagen des Vademekums in Geſellſchaf- ten ergrimmt — uͤber die muͤndlichen Geſchaͤfts- briefe der Geſchaͤftsmaͤnner — uͤber die lang- weilige Theaterjournaliſtik des Kriegsthea- ters. —
Jeder Deutſche hat ſeine Zeit, wo er wuͤnſcht, die uͤbrigen Deutſchen moͤchten ſich mehr aufs Reden legen, da ſie ungleich den Kindern, früher ſchreiben als ſprechen gelernt, und wo er auf Sprechklubs in London und auf bureaux d’esprit in Paris fuͤr ſie dringt, damit ſie, ſagt’ er, eine lebendige Sprache mehr lebendig als zu todt reden, und nicht, wie Muſcheln, die beſten Perlen erſt durch langes Modern aufdecken und hergeben — —
Und ſo weiter; denn jeder Deutſche klagt hauptſaͤchlich, daß der andere geſellig lieber Er- zaͤhlungen mache als Bemerkungen — lieber fremde Einfaͤlle als eigne — lieber die laͤngſten Erzaͤhlungen als ſchoͤne — lieber Berichte als contes — lieber Stichworte des Spiels als ſonſt ein gutes Wort. —
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Jeder Deutſche hat Jahre, wo er uͤber
neue Auflagen des Vademekums in Geſellſchaf-
ten ergrimmt — uͤber die muͤndlichen Geſchaͤfts-
briefe der Geſchaͤftsmaͤnner — uͤber die lang-
weilige Theaterjournaliſtik des Kriegsthea-
ters. —
Jeder Deutſche hat ſeine Zeit, wo er
wuͤnſcht, die uͤbrigen Deutſchen moͤchten ſich
mehr aufs Reden legen, da ſie ungleich den
Kindern, früher ſchreiben als ſprechen gelernt,
und wo er auf Sprechklubs in London und
auf bureaux d’esprit in Paris fuͤr ſie dringt,
damit ſie, ſagt’ er, eine lebendige Sprache
mehr lebendig als zu todt reden, und nicht,
wie Muſcheln, die beſten Perlen erſt durch
langes Modern aufdecken und hergeben — —
Und ſo weiter; denn jeder Deutſche klagt
hauptſaͤchlich, daß der andere geſellig lieber Er-
zaͤhlungen mache als Bemerkungen — lieber
fremde Einfaͤlle als eigne — lieber die laͤngſten
Erzaͤhlungen als ſchoͤne — lieber Berichte als
contes — lieber Stichworte des Spiels als
ſonſt ein gutes Wort. —
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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/205>, abgerufen am 24.11.2024.
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