stehen und ziehen überall am Himmel; aber die Wandel-Erden sind auf ihren Thierkreis eingeschränkt und an Eine Sonne gebun- den. --"
"Es muß, setzt' ich dazu, etwas höheres zu suchen geben, als blos Recht, d. h. nicht Unrecht zu thun -- worauf doch die folgerechte Sittenlehre sich eingränzt --; aber dieß Höhere ist in einer Unendlichkeit von Reitzen und Be- stimmungen so wenig durch das Sitten-Lineal auszumessen, oder gerad zu richten als die raphaelischen und die lebendigen Figuren durch mathematische Figuren.
"Mangel an Glaubensmuth, kann man sagen, fuhr der Graf fort, nicht etwa Mangel an Wohlwollen erkältet und erschlafft die Men- schen, die meisten würden der Gewißheit eines großen schönen Welt-Erfolgs ihr Leben hinopfern, das sie ja so oft bey kleinern Fällen für eine Unmäßigkeit, Rechthaberey u. s. w. weggeben. Aber dieser Glaubens-Muth ist eben entscheidend und göttlich, und durch nichts zu erstatten. Da, wo Feige ohne Richtung
ſtehen und ziehen uͤberall am Himmel; aber die Wandel-Erden ſind auf ihren Thierkreis eingeſchränkt und an Eine Sonne gebun- den. —“
„Es muß, ſetzt’ ich dazu, etwas höheres zu ſuchen geben, als blos Recht, d. h. nicht Unrecht zu thun — worauf doch die folgerechte Sittenlehre ſich eingraͤnzt —; aber dieß Hoͤhere iſt in einer Unendlichkeit von Reitzen und Be- ſtimmungen ſo wenig durch das Sitten-Lineal auszumeſſen, oder gerad zu richten als die raphaeliſchen und die lebendigen Figuren durch mathematiſche Figuren.
„Mangel an Glaubensmuth, kann man ſagen, fuhr der Graf fort, nicht etwa Mangel an Wohlwollen erkaͤltet und erſchlafft die Men- ſchen, die meiſten wuͤrden der Gewißheit eines großen ſchönen Welt-Erfolgs ihr Leben hinopfern, das ſie ja ſo oft bey kleinern Faͤllen fuͤr eine Unmaͤßigkeit, Rechthaberey u. ſ. w. weggeben. Aber dieſer Glaubens-Muth iſt eben entſcheidend und goͤttlich, und durch nichts zu erſtatten. Da, wo Feige ohne Richtung
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0230"n="224"/>ſtehen und ziehen uͤberall am Himmel; aber die<lb/><hirendition="#g">Wandel-Erden</hi>ſind auf ihren Thierkreis<lb/>
eingeſchränkt und an Eine Sonne gebun-<lb/>
den. —“</p><lb/><p>„Es muß, ſetzt’ ich dazu, etwas höheres<lb/>
zu ſuchen geben, als blos Recht, d. h. nicht<lb/>
Unrecht zu thun — worauf doch die folgerechte<lb/>
Sittenlehre ſich eingraͤnzt —; aber dieß Hoͤhere<lb/>
iſt in einer Unendlichkeit von Reitzen und Be-<lb/>ſtimmungen ſo wenig durch das Sitten-Lineal<lb/>
auszumeſſen, oder gerad zu richten als die<lb/>
raphaeliſchen und die lebendigen Figuren durch<lb/>
mathematiſche Figuren.</p><lb/><p>„Mangel an Glaubensmuth, kann man<lb/>ſagen, fuhr der Graf fort, nicht etwa Mangel<lb/>
an Wohlwollen erkaͤltet und erſchlafft die Men-<lb/>ſchen, die meiſten wuͤrden der <hirendition="#g">Gewißheit</hi><lb/>
eines großen ſchönen Welt-Erfolgs ihr Leben<lb/>
hinopfern, das ſie ja ſo oft bey kleinern Faͤllen<lb/>
fuͤr eine Unmaͤßigkeit, Rechthaberey u. ſ. w.<lb/>
weggeben. Aber dieſer Glaubens-Muth iſt<lb/>
eben entſcheidend und goͤttlich, und durch nichts<lb/>
zu erſtatten. Da, wo Feige ohne Richtung<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[224/0230]
ſtehen und ziehen uͤberall am Himmel; aber die
Wandel-Erden ſind auf ihren Thierkreis
eingeſchränkt und an Eine Sonne gebun-
den. —“
„Es muß, ſetzt’ ich dazu, etwas höheres
zu ſuchen geben, als blos Recht, d. h. nicht
Unrecht zu thun — worauf doch die folgerechte
Sittenlehre ſich eingraͤnzt —; aber dieß Hoͤhere
iſt in einer Unendlichkeit von Reitzen und Be-
ſtimmungen ſo wenig durch das Sitten-Lineal
auszumeſſen, oder gerad zu richten als die
raphaeliſchen und die lebendigen Figuren durch
mathematiſche Figuren.
„Mangel an Glaubensmuth, kann man
ſagen, fuhr der Graf fort, nicht etwa Mangel
an Wohlwollen erkaͤltet und erſchlafft die Men-
ſchen, die meiſten wuͤrden der Gewißheit
eines großen ſchönen Welt-Erfolgs ihr Leben
hinopfern, das ſie ja ſo oft bey kleinern Faͤllen
fuͤr eine Unmaͤßigkeit, Rechthaberey u. ſ. w.
weggeben. Aber dieſer Glaubens-Muth iſt
eben entſcheidend und goͤttlich, und durch nichts
zu erſtatten. Da, wo Feige ohne Richtung
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/230>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.