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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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vierjährigen Meuchelmörder und Mordbrenner
Frankreichs, Marat, gelte, dachte freudig in
sich, (so sagte sie aus) "ihr sucht alle nur Ei-
nen Menschen; ich kann ja euer Blut ersparen,
wenn ich blos meines und seines vergieße."
Sie sah sich für die Freywillig-dienende
des kriegenden Departements von Calvados
an, folglich für eine Kriegerin gegen den
Staatsfeind, nicht für die Straf-Parze einer
obrigkeitlichen Person.

Am zweyten Juny erschien ihrem Geiste
der Entschluß zu sterben, zuerst; wie jener En-
gel dem Apostel im Kerker. -- So viele Jüng-
linge sah sie um sich her, dem Freyheitszuge
nach Paris, dem großen Grabe zuströmen:
Da reichte sie dem Engel die Hand, der sie
aus dem Leben führen wollte.

"O wenn man doch, sagte der Graf, in
jene tiefe Stunde tiefer schauen könnte, wo
die Heldin zu sich sagte: mein Leben sey vor-
über, alle heiteren Aussichten verschlinge die
einzige; Verzicht sey gethan auf alles Geliebte
und Erfreuende, auf Vater, auf Freunde und

vierjaͤhrigen Meuchelmoͤrder und Mordbrenner
Frankreichs, Marat, gelte, dachte freudig in
ſich, (ſo ſagte ſie aus) „ihr ſucht alle nur Ei-
nen Menſchen; ich kann ja euer Blut erſparen,
wenn ich blos meines und ſeines vergieße.“
Sie ſah ſich fuͤr die Freywillig-dienende
des kriegenden Departements von Calvados
an, folglich fuͤr eine Kriegerin gegen den
Staatsfeind, nicht fuͤr die Straf-Parze einer
obrigkeitlichen Perſon.

Am zweyten Juny erſchien ihrem Geiſte
der Entſchluß zu ſterben, zuerſt; wie jener En-
gel dem Apoſtel im Kerker. — So viele Juͤng-
linge ſah ſie um ſich her, dem Freyheitszuge
nach Paris, dem großen Grabe zuſtroͤmen:
Da reichte ſie dem Engel die Hand, der ſie
aus dem Leben fuͤhren wollte.

„O wenn man doch, ſagte der Graf, in
jene tiefe Stunde tiefer ſchauen koͤnnte, wo
die Heldin zu ſich ſagte: mein Leben ſey vor-
uͤber, alle heiteren Ausſichten verſchlinge die
einzige; Verzicht ſey gethan auf alles Geliebte
und Erfreuende, auf Vater, auf Freunde und

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[239/0245] vierjaͤhrigen Meuchelmoͤrder und Mordbrenner Frankreichs, Marat, gelte, dachte freudig in ſich, (ſo ſagte ſie aus) „ihr ſucht alle nur Ei- nen Menſchen; ich kann ja euer Blut erſparen, wenn ich blos meines und ſeines vergieße.“ Sie ſah ſich fuͤr die Freywillig-dienende des kriegenden Departements von Calvados an, folglich fuͤr eine Kriegerin gegen den Staatsfeind, nicht fuͤr die Straf-Parze einer obrigkeitlichen Perſon. Am zweyten Juny erſchien ihrem Geiſte der Entſchluß zu ſterben, zuerſt; wie jener En- gel dem Apoſtel im Kerker. — So viele Juͤng- linge ſah ſie um ſich her, dem Freyheitszuge nach Paris, dem großen Grabe zuſtroͤmen: Da reichte ſie dem Engel die Hand, der ſie aus dem Leben fuͤhren wollte. „O wenn man doch, ſagte der Graf, in jene tiefe Stunde tiefer ſchauen koͤnnte, wo die Heldin zu ſich ſagte: mein Leben ſey vor- uͤber, alle heiteren Ausſichten verſchlinge die einzige; Verzicht ſey gethan auf alles Geliebte und Erfreuende, auf Vater, auf Freunde und

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/245>, abgerufen am 21.11.2024.