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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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und Hoffnungen unter, und er behielt nichts
als sich, sein deutsches Herz; nur die verjag-
ten an der Zeit reifenden Girondisten waren
mit ihren Wunden Balsam für die seinige.
Forster und andere Freunde hielten ihn müh-
sam ab, daß er sich nicht zum Beweise zugleich
seiner Treue und Trostlosigkeit vor dem Kon-
vente den Dolch in die hart ausgeplünderte
Brust einstieß. Nun konnte er nichts weiter
thun (ehe Corday den ihrigen ergriffen), als
still und fest seyn und mit der warmen Brust
auf den fressenden Wunden ruhen; ins Holz
von Boulogne verbarg er sich und las Brutus
Briefe an Cicero; sein Angesicht blieb falten-
los, sogar heiter; denn die hohe Seele hoffet
länger das Hohe, als die niedere, und wenn
am Hügel schon der Schatten liegt, so glühet
der Eisberg noch lange der Sonne nach.

Da begegnete dieser feste, von der Zeit
umhüllte Geist der geopferten, wie opfernden
Corday auf ihrer Treppe zur Gruft, oder
eigentlich bey ihrer Himmelsleiter; er sah ihr
stilles großes Untergehen, und die Henkers-

und Hoffnungen unter, und er behielt nichts
als ſich, ſein deutſches Herz; nur die verjag-
ten an der Zeit reifenden Girondiſten waren
mit ihren Wunden Balſam fuͤr die ſeinige.
Forſter und andere Freunde hielten ihn muͤh-
ſam ab, daß er ſich nicht zum Beweiſe zugleich
ſeiner Treue und Troſtloſigkeit vor dem Kon-
vente den Dolch in die hart ausgepluͤnderte
Bruſt einſtieß. Nun konnte er nichts weiter
thun (ehe Corday den ihrigen ergriffen), als
ſtill und feſt ſeyn und mit der warmen Bruſt
auf den freſſenden Wunden ruhen; ins Holz
von Boulogne verbarg er ſich und las Brutus
Briefe an Cicero; ſein Angeſicht blieb falten-
los, ſogar heiter; denn die hohe Seele hoffet
laͤnger das Hohe, als die niedere, und wenn
am Hügel ſchon der Schatten liegt, ſo gluͤhet
der Eisberg noch lange der Sonne nach.

Da begegnete dieſer feſte, von der Zeit
umhuͤllte Geiſt der geopferten, wie opfernden
Corday auf ihrer Treppe zur Gruft, oder
eigentlich bey ihrer Himmelsleiter; er ſah ihr
ſtilles großes Untergehen, und die Henkers-

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[250/0256] und Hoffnungen unter, und er behielt nichts als ſich, ſein deutſches Herz; nur die verjag- ten an der Zeit reifenden Girondiſten waren mit ihren Wunden Balſam fuͤr die ſeinige. Forſter und andere Freunde hielten ihn muͤh- ſam ab, daß er ſich nicht zum Beweiſe zugleich ſeiner Treue und Troſtloſigkeit vor dem Kon- vente den Dolch in die hart ausgepluͤnderte Bruſt einſtieß. Nun konnte er nichts weiter thun (ehe Corday den ihrigen ergriffen), als ſtill und feſt ſeyn und mit der warmen Bruſt auf den freſſenden Wunden ruhen; ins Holz von Boulogne verbarg er ſich und las Brutus Briefe an Cicero; ſein Angeſicht blieb falten- los, ſogar heiter; denn die hohe Seele hoffet laͤnger das Hohe, als die niedere, und wenn am Hügel ſchon der Schatten liegt, ſo gluͤhet der Eisberg noch lange der Sonne nach. Da begegnete dieſer feſte, von der Zeit umhuͤllte Geiſt der geopferten, wie opfernden Corday auf ihrer Treppe zur Gruft, oder eigentlich bey ihrer Himmelsleiter; er ſah ihr ſtilles großes Untergehen, und die Henkers-

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/256>, abgerufen am 21.11.2024.