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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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mit ihr halten muß -- und genau genommen, ists
schon so --: so ists ihm jetzt hauptsächlich um rei¬
ne Sitten zu thun; er lässet also zwar derjenigen
Sammlung von Arterien, Nervenknoten, Haaren,
und edlern Theilen, die man insgemein seine Frau
benennt, seinen Namen, seinen halben Kredit, und
seine halben Kinder, weil man überhaupt in der gro¬
ßen Welt ungern öffentliche Verbindungen öffentlich
aufhebt und lieber am Ende an tausend von Luft
geflochtenen Ketten geht: aber das gestattet ihm
seine Achtung für Moral und Publikum nicht, eine
und dieselbe Wohnung -- Tafel -- Gesellschaft mit
einer Frau zu haben, die einen andern Körper hat;
er erscheint sogar (welches vielleicht zu skrupulös
ist) ungern mit ihr öffentlich und enthält sich we¬
nigstens in seinem Hause alles dessen, wozu er oder
Origenes sich unfähig machten.

Es sind schlechte abgefärbte Katheder, die mir
den Einwurf machen können, die verehelichten See¬
len blieben ja doch wenn die Leiber verrauchten.
Denn mit der Seele, (also mit dem Gedächtniß,
Abstraktionsvermögen etc.) lässet man sich heut zu
Tage wenig oder nicht kopuliren, sondern mit dem
was d'rum rum ist. Zweitens ists ja bei jedem

mit ihr halten muß — und genau genommen, iſts
ſchon ſo —: ſo iſts ihm jetzt hauptſaͤchlich um rei¬
ne Sitten zu thun; er laͤſſet alſo zwar derjenigen
Sammlung von Arterien, Nervenknoten, Haaren,
und edlern Theilen, die man insgemein ſeine Frau
benennt, ſeinen Namen, ſeinen halben Kredit, und
ſeine halben Kinder, weil man uͤberhaupt in der gro¬
ßen Welt ungern oͤffentliche Verbindungen oͤffentlich
aufhebt und lieber am Ende an tauſend von Luft
geflochtenen Ketten geht: aber das geſtattet ihm
ſeine Achtung fuͤr Moral und Publikum nicht, eine
und dieſelbe Wohnung — Tafel — Geſellſchaft mit
einer Frau zu haben, die einen andern Koͤrper hat;
er erſcheint ſogar (welches vielleicht zu ſkrupuloͤs
iſt) ungern mit ihr oͤffentlich und enthaͤlt ſich we¬
nigſtens in ſeinem Hauſe alles deſſen, wozu er oder
Origenes ſich unfaͤhig machten.

Es ſind ſchlechte abgefaͤrbte Katheder, die mir
den Einwurf machen koͤnnen, die verehelichten See¬
len blieben ja doch wenn die Leiber verrauchten.
Denn mit der Seele, (alſo mit dem Gedaͤchtniß,
Abſtraktionsvermoͤgen ꝛc.) laͤſſet man ſich heut zu
Tage wenig oder nicht kopuliren, ſondern mit dem
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[79/0115] mit ihr halten muß — und genau genommen, iſts ſchon ſo —: ſo iſts ihm jetzt hauptſaͤchlich um rei¬ ne Sitten zu thun; er laͤſſet alſo zwar derjenigen Sammlung von Arterien, Nervenknoten, Haaren, und edlern Theilen, die man insgemein ſeine Frau benennt, ſeinen Namen, ſeinen halben Kredit, und ſeine halben Kinder, weil man uͤberhaupt in der gro¬ ßen Welt ungern oͤffentliche Verbindungen oͤffentlich aufhebt und lieber am Ende an tauſend von Luft geflochtenen Ketten geht: aber das geſtattet ihm ſeine Achtung fuͤr Moral und Publikum nicht, eine und dieſelbe Wohnung — Tafel — Geſellſchaft mit einer Frau zu haben, die einen andern Koͤrper hat; er erſcheint ſogar (welches vielleicht zu ſkrupuloͤs iſt) ungern mit ihr oͤffentlich und enthaͤlt ſich we¬ nigſtens in ſeinem Hauſe alles deſſen, wozu er oder Origenes ſich unfaͤhig machten. Es ſind ſchlechte abgefaͤrbte Katheder, die mir den Einwurf machen koͤnnen, die verehelichten See¬ len blieben ja doch wenn die Leiber verrauchten. Denn mit der Seele, (alſo mit dem Gedaͤchtniß, Abſtraktionsvermoͤgen ꝛc.) laͤſſet man ſich heut zu Tage wenig oder nicht kopuliren, ſondern mit dem was d'rum rum iſt. Zweitens iſts ja bei jedem

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/115>, abgerufen am 21.11.2024.