tasien eines Kindes noch keine kummerhaften sind. Scheerau mußte in seinen Vermuthungen durchaus die Stadt mit langen Häusern sein, worin, er mit seiner Schwester gespielt. Noch dazu wurde -- was allen Kindern eine Naturalisationsakte ist -- sein Spielmagazin eingeschifft; sogar den Staarmatz, der als geschüttelter Hierarch in der salomonischen Filialkirche auf und absprang, hielt er auf den stau¬ chenden Knien. Jeden Winkel des Schlosses bedau¬ erte er samt dem was drinnen war, daß es nicht mit einsteigen dürfte: dieses ganze Konchylienge¬ häus kam ihm so eng, so abgegriffen, so abgeschos¬ sen vor! Leute die wenig gereiset, schauen ihre Stube in den Augenblicken der Abreise -- der An¬ kunft -- und in den übrigen mit drei verschiedenen Gefühlen an: für Zugheuschrecken und Zuggeflügel sind die Chausseen und Gassen nur die Korridore zwischen den Zimmern.
Schon eine halbe Stunde saß er auf den nack¬ ten Kutschenkasten voraus, mit den Beinen in Ge¬ päck eingekeilt und in zappelnder Erwartung wenn die Pferde den ersten Riß thäten. Endlich wurde die Wagenthüre zugeworfen und alles rollte dahin, den Berg hinab, den Gemeindeanger hinüber, auf
taſien eines Kindes noch keine kummerhaften ſind. Scheerau mußte in ſeinen Vermuthungen durchaus die Stadt mit langen Haͤuſern ſein, worin, er mit ſeiner Schweſter geſpielt. Noch dazu wurde — was allen Kindern eine Naturaliſationsakte iſt — ſein Spielmagazin eingeſchifft; ſogar den Staarmatz, der als geſchuͤttelter Hierarch in der ſalomoniſchen Filialkirche auf und abſprang, hielt er auf den ſtau¬ chenden Knien. Jeden Winkel des Schloſſes bedau¬ erte er ſamt dem was drinnen war, daß es nicht mit einſteigen duͤrfte: dieſes ganze Konchylienge¬ haͤus kam ihm ſo eng, ſo abgegriffen, ſo abgeſchoſ¬ ſen vor! Leute die wenig gereiſet, ſchauen ihre Stube in den Augenblicken der Abreiſe — der An¬ kunft — und in den uͤbrigen mit drei verſchiedenen Gefuͤhlen an: fuͤr Zugheuſchrecken und Zuggefluͤgel ſind die Chauſſeen und Gaſſen nur die Korridore zwiſchen den Zimmern.
Schon eine halbe Stunde ſaß er auf den nack¬ ten Kutſchenkaſten voraus, mit den Beinen in Ge¬ paͤck eingekeilt und in zappelnder Erwartung wenn die Pferde den erſten Riß thaͤten. Endlich wurde die Wagenthuͤre zugeworfen und alles rollte dahin, den Berg hinab, den Gemeindeanger hinuͤber, auf
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0142"n="106"/>
taſien eines Kindes noch keine kummerhaften ſind.<lb/>
Scheerau mußte in ſeinen Vermuthungen durchaus<lb/>
die Stadt mit langen Haͤuſern ſein, worin, er mit<lb/>ſeiner Schweſter geſpielt. Noch dazu wurde — was<lb/>
allen Kindern eine Naturaliſationsakte iſt —ſein<lb/>
Spielmagazin eingeſchifft; ſogar den Staarmatz,<lb/>
der als geſchuͤttelter Hierarch in der ſalomoniſchen<lb/>
Filialkirche auf und abſprang, hielt er auf den ſtau¬<lb/>
chenden Knien. Jeden Winkel des Schloſſes bedau¬<lb/>
erte er ſamt dem was drinnen war, daß es nicht<lb/>
mit einſteigen duͤrfte: dieſes ganze Konchylienge¬<lb/>
haͤus kam ihm ſo eng, ſo abgegriffen, ſo abgeſchoſ¬<lb/>ſen vor! Leute die wenig gereiſet, ſchauen ihre<lb/>
Stube in den Augenblicken der Abreiſe — der An¬<lb/>
kunft — und in den uͤbrigen mit drei verſchiedenen<lb/>
Gefuͤhlen an: fuͤr Zugheuſchrecken und Zuggefluͤgel<lb/>ſind die Chauſſeen und Gaſſen nur die Korridore<lb/>
zwiſchen den Zimmern.</p><lb/><p>Schon eine halbe Stunde ſaß er auf den nack¬<lb/>
ten Kutſchenkaſten voraus, mit den Beinen in Ge¬<lb/>
paͤck eingekeilt und in zappelnder Erwartung wenn<lb/>
die Pferde den erſten Riß thaͤten. Endlich wurde<lb/>
die Wagenthuͤre zugeworfen und alles rollte dahin,<lb/>
den Berg hinab, den Gemeindeanger hinuͤber, auf<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[106/0142]
taſien eines Kindes noch keine kummerhaften ſind.
Scheerau mußte in ſeinen Vermuthungen durchaus
die Stadt mit langen Haͤuſern ſein, worin, er mit
ſeiner Schweſter geſpielt. Noch dazu wurde — was
allen Kindern eine Naturaliſationsakte iſt — ſein
Spielmagazin eingeſchifft; ſogar den Staarmatz,
der als geſchuͤttelter Hierarch in der ſalomoniſchen
Filialkirche auf und abſprang, hielt er auf den ſtau¬
chenden Knien. Jeden Winkel des Schloſſes bedau¬
erte er ſamt dem was drinnen war, daß es nicht
mit einſteigen duͤrfte: dieſes ganze Konchylienge¬
haͤus kam ihm ſo eng, ſo abgegriffen, ſo abgeſchoſ¬
ſen vor! Leute die wenig gereiſet, ſchauen ihre
Stube in den Augenblicken der Abreiſe — der An¬
kunft — und in den uͤbrigen mit drei verſchiedenen
Gefuͤhlen an: fuͤr Zugheuſchrecken und Zuggefluͤgel
ſind die Chauſſeen und Gaſſen nur die Korridore
zwiſchen den Zimmern.
Schon eine halbe Stunde ſaß er auf den nack¬
ten Kutſchenkaſten voraus, mit den Beinen in Ge¬
paͤck eingekeilt und in zappelnder Erwartung wenn
die Pferde den erſten Riß thaͤten. Endlich wurde
die Wagenthuͤre zugeworfen und alles rollte dahin,
den Berg hinab, den Gemeindeanger hinuͤber, auf
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/142>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.