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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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Kinder den besten, wenn Sie ihnen keinen befeh¬
len
; von Natur achten sie weder silberne Ster¬
ne noch silberne Köpfe -- gewöhnen Sie ihnen's
nicht ab."

"Meine größte Bitte ist -- die ich viele Jahre
vorher drucken lassen, -- daß Sie der spashafteste
Mann in meinem Hause sind: Lustigkeit macht
Kleinen alle wissenschaftliche Felder zu Zuckerfeldern.
Meine müssen bei Ihnen durchaus nach ihrem Wohl¬
gefallen
scherzen, reden, sitzen dürfen. Wir Er¬
wachsene ständen den abscheulichen Schulzwang un¬
serer Deßendenz keine Woche aus, so vernünftig
wir sind: gleichwohl muthen wirs ihren mit Amei¬
sen gefüllten Adern zu. Ueberhaupt: ist denn die
Kindheit nur der mühselige Rüsttag zum genies¬
senden Sonntag des spätern Alters, oder ist sie
nicht vielmehr selber eine Vigilie dazu, die ihre
eigne Freuden hat? Ach wenn wir in diesem lee¬
ren niederregnenden Leben nicht jedes Mittel für
den nähern Zweck
(wie jeden Zweck für ein
entferntes Mittel) ansehen: was finden wir denn
hienieden? -- Ihr Prinzipal (ein abscheuliches
Wort!) hat sich auf seine Verlobung eben so sehr
gefreuet als auf seine Hochzeit."

Kinder den beſten, wenn Sie ihnen keinen befeh¬
len
; von Natur achten ſie weder ſilberne Ster¬
ne noch ſilberne Koͤpfe — gewoͤhnen Sie ihnen's
nicht ab.“

„Meine groͤßte Bitte iſt — die ich viele Jahre
vorher drucken laſſen, — daß Sie der ſpashafteſte
Mann in meinem Hauſe ſind: Luſtigkeit macht
Kleinen alle wiſſenſchaftliche Felder zu Zuckerfeldern.
Meine muͤſſen bei Ihnen durchaus nach ihrem Wohl¬
gefallen
ſcherzen, reden, ſitzen duͤrfen. Wir Er¬
wachſene ſtaͤnden den abſcheulichen Schulzwang un¬
ſerer Deſzendenz keine Woche aus, ſo vernuͤnftig
wir ſind: gleichwohl muthen wirs ihren mit Amei¬
ſen gefuͤllten Adern zu. Ueberhaupt: iſt denn die
Kindheit nur der muͤhſelige Ruͤſttag zum genieſ¬
ſenden Sonntag des ſpaͤtern Alters, oder iſt ſie
nicht vielmehr ſelber eine Vigilie dazu, die ihre
eigne Freuden hat? Ach wenn wir in dieſem lee¬
ren niederregnenden Leben nicht jedes Mittel fuͤr
den naͤhern Zweck
(wie jeden Zweck fuͤr ein
entferntes Mittel) anſehen: was finden wir denn
hienieden? — Ihr Prinzipal (ein abſcheuliches
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[184/0220] Kinder den beſten, wenn Sie ihnen keinen befeh¬ len; von Natur achten ſie weder ſilberne Ster¬ ne noch ſilberne Koͤpfe — gewoͤhnen Sie ihnen's nicht ab.“ „Meine groͤßte Bitte iſt — die ich viele Jahre vorher drucken laſſen, — daß Sie der ſpashafteſte Mann in meinem Hauſe ſind: Luſtigkeit macht Kleinen alle wiſſenſchaftliche Felder zu Zuckerfeldern. Meine muͤſſen bei Ihnen durchaus nach ihrem Wohl¬ gefallen ſcherzen, reden, ſitzen duͤrfen. Wir Er¬ wachſene ſtaͤnden den abſcheulichen Schulzwang un¬ ſerer Deſzendenz keine Woche aus, ſo vernuͤnftig wir ſind: gleichwohl muthen wirs ihren mit Amei¬ ſen gefuͤllten Adern zu. Ueberhaupt: iſt denn die Kindheit nur der muͤhſelige Ruͤſttag zum genieſ¬ ſenden Sonntag des ſpaͤtern Alters, oder iſt ſie nicht vielmehr ſelber eine Vigilie dazu, die ihre eigne Freuden hat? Ach wenn wir in dieſem lee¬ ren niederregnenden Leben nicht jedes Mittel fuͤr den naͤhern Zweck (wie jeden Zweck fuͤr ein entferntes Mittel) anſehen: was finden wir denn hienieden? — Ihr Prinzipal (ein abſcheuliches Wort!) hat ſich auf ſeine Verlobung eben ſo ſehr gefreuet als auf ſeine Hochzeit.“

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/220>, abgerufen am 21.11.2024.