chat glauben kann, die bessere Edition oder die bessere Nominal- und Real-Erklärungen setzen die jungen Gymnasiasten, mehr in Stand, die erhabe¬ nen klassischen Ruinen zu fassen, als eine bessere von Erratis gesauberte Edition des Shakespears und die beigefügten Novellen nebst den Noten einem Schul¬ man in Stand setzen würden, die Augen vor diesem englischen Genius aufzuschließen -- daß sonach das Scholarchat sich in den Kopf setzet, einen Hämling oder Täufling erhalte nichts kalt gegen die Reize ei¬ ner Kleopatra als die Hüllen dieser Reize -- und daß die Scholarchate nicht mir und der Natur nach¬ gehen. -- --
Die Natur erzieht nämlich unsern Geschmack durch vorragende Schönheiten für feinere; der Jüngling zieht den Witz der Empfindung vor, den Bombast dem Verstand, den Lukan dem Virgil, die Franzosen den Alten. Im Grunde hat dieser mino¬ renne Geschmack nicht darin Unrecht, daß er gewisse niedere Schönheiten stärker empfindet als wir son¬ dern daß er die damit verbundnen Flecken und höhe¬ *)
*) Fühlen denn alle Deutsche die Messiade, der der deutschen Sprache und biblischen Geschichte kundig sind?
chat glauben kann, die beſſere Edition oder die beſſere Nominal- und Real-Erklaͤrungen ſetzen die jungen Gymnaſiaſten, mehr in Stand, die erhabe¬ nen klaſſiſchen Ruinen zu faſſen, als eine beſſere von Erratis geſauberte Edition des Shakeſpears und die beigefuͤgten Novellen nebſt den Noten einem Schul¬ man in Stand ſetzen wuͤrden, die Augen vor dieſem engliſchen Genius aufzuſchließen — daß ſonach das Scholarchat ſich in den Kopf ſetzet, einen Haͤmling oder Taͤufling erhalte nichts kalt gegen die Reize ei¬ ner Kleopatra als die Huͤllen dieſer Reize — und daß die Scholarchate nicht mir und der Natur nach¬ gehen. — —
Die Natur erzieht naͤmlich unſern Geſchmack durch vorragende Schoͤnheiten fuͤr feinere; der Juͤngling zieht den Witz der Empfindung vor, den Bombaſt dem Verſtand, den Lukan dem Virgil, die Franzoſen den Alten. Im Grunde hat dieſer mino¬ renne Geſchmack nicht darin Unrecht, daß er gewiſſe niedere Schoͤnheiten ſtaͤrker empfindet als wir ſon¬ dern daß er die damit verbundnen Flecken und hoͤhe¬ *)
*) Fühlen denn alle Deutſche die Meſſiade, der der deutſchen Sprache und bibliſchen Geſchichte kundig ſind?
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chat glauben kann, die beſſere Edition oder die
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jungen Gymnaſiaſten, mehr in Stand, die erhabe¬
nen klaſſiſchen Ruinen zu faſſen, als eine beſſere von
Erratis geſauberte Edition des Shakeſpears und die
beigefuͤgten Novellen nebſt den Noten einem Schul¬
man in Stand ſetzen wuͤrden, die Augen vor dieſem
engliſchen Genius aufzuſchließen — daß ſonach das
Scholarchat ſich in den Kopf ſetzet, einen Haͤmling
oder Taͤufling erhalte nichts kalt gegen die Reize ei¬
ner Kleopatra als die Huͤllen dieſer Reize — und
daß die Scholarchate nicht mir und der Natur nach¬
gehen. — —
Die Natur erzieht naͤmlich unſern Geſchmack
durch vorragende Schoͤnheiten fuͤr feinere; der
Juͤngling zieht den Witz der Empfindung vor, den
Bombaſt dem Verſtand, den Lukan dem Virgil, die
Franzoſen den Alten. Im Grunde hat dieſer mino¬
renne Geſchmack nicht darin Unrecht, daß er gewiſſe
niedere Schoͤnheiten ſtaͤrker empfindet als wir ſon¬
dern daß er die damit verbundnen Flecken und hoͤhe¬
*)
*) Fühlen denn alle Deutſche die Meſſiade, der der deutſchen
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/234>, abgerufen am 08.06.2024.
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