Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

Seele wie geflügelte Fische, nur so lange empor
flog als die Schwingen eingeöhlet waren -- daß
er immer betrunken und gerührt zugleich war und
eher nicht in den Himmel hineinbegehrte als bis
er ihn nicht mehr sehen konnte. Hermes und Oem¬
ler sagen, ich würde Aergerniß vermeiden -- ob¬
gleich das Beispiel Sezmanns ein grösseres ge¬
ben muß als der Spas darüber -- wenn ichs la¬
teinisch vortrüge, daß die aquae supra coelestes sei¬
ner Augen allemal seine zwei Schuh tiefern humo¬
res peccantes
begleiteten.

Gustav gieng an wehenden Frühlingsnachmit¬
tagen auf jungem Grase zu ihm und freuete sich
unterwegs auf zwei hübsche Dinge -- Erstlich auf
diesen Missionar der heidnischen Dorfjugend selber,
dessen schwärmerischer Athem Gustavs Ideen, de¬
ren jede ein Segel war, wie ein Sturmwind be¬
wegte und der besonders in der letzten sechsten Wo¬
che, wo er die jungen Sechswöchner über den
Leisten des sechsten Hauptstücks schlug, mei¬
nes Gustavs Ohren so verlängerte, daß zwei
Flügel daraus wurden, die mit seinem Köpfchen
davon giengen. -- Zweitens spitzt' er sich auf eine
breite Binde über einem breiten Halstuch und

Seele wie gefluͤgelte Fiſche, nur ſo lange empor
flog als die Schwingen eingeoͤhlet waren — daß
er immer betrunken und geruͤhrt zugleich war und
eher nicht in den Himmel hineinbegehrte als bis
er ihn nicht mehr ſehen konnte. Hermes und Oem¬
ler ſagen, ich wuͤrde Aergerniß vermeiden — ob¬
gleich das Beiſpiel Sezmanns ein groͤſſeres ge¬
ben muß als der Spas daruͤber — wenn ichs la¬
teiniſch vortruͤge, daß die aquae ſupra coeleſtes ſei¬
ner Augen allemal ſeine zwei Schuh tiefern humo¬
res peccantes
begleiteten.

Guſtav gieng an wehenden Fruͤhlingsnachmit¬
tagen auf jungem Graſe zu ihm und freuete ſich
unterwegs auf zwei huͤbſche Dinge — Erſtlich auf
dieſen Miſſionar der heidniſchen Dorfjugend ſelber,
deſſen ſchwaͤrmeriſcher Athem Guſtavs Ideen, de¬
ren jede ein Segel war, wie ein Sturmwind be¬
wegte und der beſonders in der letzten ſechſten Wo¬
che, wo er die jungen Sechswoͤchner uͤber den
Leiſten des ſechſten Hauptſtuͤcks ſchlug, mei¬
nes Guſtavs Ohren ſo verlaͤngerte, daß zwei
Fluͤgel daraus wurden, die mit ſeinem Koͤpfchen
davon giengen. — Zweitens ſpitzt' er ſich auf eine
breite Binde uͤber einem breiten Halstuch und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0243" n="207"/>
Seele wie geflu&#x0364;gelte Fi&#x017F;che, nur &#x017F;o lange empor<lb/>
flog als die Schwingen eingeo&#x0364;hlet waren &#x2014; daß<lb/>
er immer betrunken und geru&#x0364;hrt zugleich war und<lb/>
eher nicht in den Himmel hineinbegehrte als bis<lb/>
er ihn nicht mehr &#x017F;ehen konnte. Hermes und Oem¬<lb/>
ler &#x017F;agen, ich wu&#x0364;rde Aergerniß vermeiden &#x2014; ob¬<lb/>
gleich das <hi rendition="#g">Bei&#x017F;piel</hi> Sezmanns ein gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;eres ge¬<lb/>
ben muß als der <hi rendition="#g">Spas</hi> daru&#x0364;ber &#x2014; wenn ichs la¬<lb/>
teini&#x017F;ch vortru&#x0364;ge, daß die <hi rendition="#aq">aquae &#x017F;upra coele&#x017F;tes</hi> &#x017F;ei¬<lb/>
ner Augen allemal &#x017F;eine zwei Schuh tiefern <hi rendition="#aq">humo¬<lb/>
res peccantes</hi> begleiteten.</p><lb/>
          <p>Gu&#x017F;tav gieng an wehenden Fru&#x0364;hlingsnachmit¬<lb/>
tagen auf jungem Gra&#x017F;e zu ihm und freuete &#x017F;ich<lb/>
unterwegs auf zwei hu&#x0364;b&#x017F;che Dinge &#x2014; Er&#x017F;tlich auf<lb/>
die&#x017F;en Mi&#x017F;&#x017F;ionar der heidni&#x017F;chen Dorfjugend &#x017F;elber,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chwa&#x0364;rmeri&#x017F;cher Athem Gu&#x017F;tavs Ideen, de¬<lb/>
ren jede ein Segel war, wie ein Sturmwind be¬<lb/>
wegte und der be&#x017F;onders in der letzten &#x017F;ech&#x017F;ten Wo¬<lb/>
che, wo er die jungen <hi rendition="#g">Sechswo&#x0364;chner</hi> u&#x0364;ber den<lb/>
Lei&#x017F;ten des <hi rendition="#g">&#x017F;ech&#x017F;ten Haupt&#x017F;tu&#x0364;cks</hi> &#x017F;chlug, mei¬<lb/>
nes Gu&#x017F;tavs <hi rendition="#g">Ohren</hi> &#x017F;o <hi rendition="#g">verla&#x0364;ngerte</hi>, daß zwei<lb/><hi rendition="#g">Flu&#x0364;gel</hi> daraus wurden, die mit &#x017F;einem Ko&#x0364;pfchen<lb/>
davon giengen. &#x2014; Zweitens &#x017F;pitzt' er &#x017F;ich auf eine<lb/><hi rendition="#g">breite Binde</hi> u&#x0364;ber einem breiten Halstuch und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[207/0243] Seele wie gefluͤgelte Fiſche, nur ſo lange empor flog als die Schwingen eingeoͤhlet waren — daß er immer betrunken und geruͤhrt zugleich war und eher nicht in den Himmel hineinbegehrte als bis er ihn nicht mehr ſehen konnte. Hermes und Oem¬ ler ſagen, ich wuͤrde Aergerniß vermeiden — ob¬ gleich das Beiſpiel Sezmanns ein groͤſſeres ge¬ ben muß als der Spas daruͤber — wenn ichs la¬ teiniſch vortruͤge, daß die aquae ſupra coeleſtes ſei¬ ner Augen allemal ſeine zwei Schuh tiefern humo¬ res peccantes begleiteten. Guſtav gieng an wehenden Fruͤhlingsnachmit¬ tagen auf jungem Graſe zu ihm und freuete ſich unterwegs auf zwei huͤbſche Dinge — Erſtlich auf dieſen Miſſionar der heidniſchen Dorfjugend ſelber, deſſen ſchwaͤrmeriſcher Athem Guſtavs Ideen, de¬ ren jede ein Segel war, wie ein Sturmwind be¬ wegte und der beſonders in der letzten ſechſten Wo¬ che, wo er die jungen Sechswoͤchner uͤber den Leiſten des ſechſten Hauptſtuͤcks ſchlug, mei¬ nes Guſtavs Ohren ſo verlaͤngerte, daß zwei Fluͤgel daraus wurden, die mit ſeinem Koͤpfchen davon giengen. — Zweitens ſpitzt' er ſich auf eine breite Binde uͤber einem breiten Halstuch und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/243
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/243>, abgerufen am 21.11.2024.