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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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aber dieses weibliche point d'honneur erst einerzie¬
hen, einpredigen muß -- ach wie leicht ist nicht
eine Predigt besiegt! -- Frauenzimmer, die sich
selber achten, umringt eine so volle Harmonie al¬
ler ihrer Bewegungen, Worte, Blicke.... Ich
kann sie nicht schildern, aber die sind zu schildern,
die der Rose gleichen, welche unten wo man sie
nicht bricht, die längsten und härtesten Dornen
hat, aber oben wo man sie geniesset, sich nur mit
weichen und umgekrümmten verpanzert.

Ich weiß nicht ob's dir etwas Altes ist, daß
Töchter ihre Mütter lieben, ihr die Wahrheit und
alle Geheimnisse sagen; mir ist's etwas Neues und
nur die beste Tochter wie diese kann es.

Vor vierzehn Tagen erinnerte ich mich eines
Fehlers von ihr nicht so schwach als heute, wel¬
cher der ist, daß sie zu wenig Freude an der --
Freude und zuviele an traurigen Phantasien hat.
Es giebt zu weiche Seelen, die sich nie freuen
können (so wie beleidigt fühlen) ohne zu weinen
und die ein großes Glück, eine große Güte mit ei¬
nem seufzenden Busen empfangen; wenn aber
diese vor rohern Seelen stehen, die den verborgnen
Dank und die stumme Freude nicht errathen kön¬

aber dieſes weibliche point d'honneur erſt einerzie¬
hen, einpredigen muß — ach wie leicht iſt nicht
eine Predigt beſiegt! — Frauenzimmer, die ſich
ſelber achten, umringt eine ſo volle Harmonie al¬
ler ihrer Bewegungen, Worte, Blicke.... Ich
kann ſie nicht ſchildern, aber die ſind zu ſchildern,
die der Roſe gleichen, welche unten wo man ſie
nicht bricht, die laͤngſten und haͤrteſten Dornen
hat, aber oben wo man ſie genieſſet, ſich nur mit
weichen und umgekruͤmmten verpanzert.

Ich weiß nicht ob's dir etwas Altes iſt, daß
Toͤchter ihre Muͤtter lieben, ihr die Wahrheit und
alle Geheimniſſe ſagen; mir iſt's etwas Neues und
nur die beſte Tochter wie dieſe kann es.

Vor vierzehn Tagen erinnerte ich mich eines
Fehlers von ihr nicht ſo ſchwach als heute, wel¬
cher der iſt, daß ſie zu wenig Freude an der —
Freude und zuviele an traurigen Phantaſien hat.
Es giebt zu weiche Seelen, die ſich nie freuen
koͤnnen (ſo wie beleidigt fuͤhlen) ohne zu weinen
und die ein großes Gluͤck, eine große Guͤte mit ei¬
nem ſeufzenden Buſen empfangen; wenn aber
dieſe vor rohern Seelen ſtehen, die den verborgnen
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[247/0283] aber dieſes weibliche point d'honneur erſt einerzie¬ hen, einpredigen muß — ach wie leicht iſt nicht eine Predigt beſiegt! — Frauenzimmer, die ſich ſelber achten, umringt eine ſo volle Harmonie al¬ ler ihrer Bewegungen, Worte, Blicke.... Ich kann ſie nicht ſchildern, aber die ſind zu ſchildern, die der Roſe gleichen, welche unten wo man ſie nicht bricht, die laͤngſten und haͤrteſten Dornen hat, aber oben wo man ſie genieſſet, ſich nur mit weichen und umgekruͤmmten verpanzert. Ich weiß nicht ob's dir etwas Altes iſt, daß Toͤchter ihre Muͤtter lieben, ihr die Wahrheit und alle Geheimniſſe ſagen; mir iſt's etwas Neues und nur die beſte Tochter wie dieſe kann es. Vor vierzehn Tagen erinnerte ich mich eines Fehlers von ihr nicht ſo ſchwach als heute, wel¬ cher der iſt, daß ſie zu wenig Freude an der — Freude und zuviele an traurigen Phantaſien hat. Es giebt zu weiche Seelen, die ſich nie freuen koͤnnen (ſo wie beleidigt fuͤhlen) ohne zu weinen und die ein großes Gluͤck, eine große Guͤte mit ei¬ nem ſeufzenden Buſen empfangen; wenn aber dieſe vor rohern Seelen ſtehen, die den verborgnen Dank und die ſtumme Freude nicht errathen koͤn¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/283>, abgerufen am 27.11.2024.