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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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Warum bist du' nicht einer Seele zugefallen, die
dich nachahmt und kennt und belohnt? warum wa¬
ren dir für deine Aufopferungen, für deine Her¬
zensrisse hienieden keine schmerzstillenden Tropfen
als die beschieden, die deinetwegen aus den schö¬
nen Augen deiner Tochter fallen? -- ach du erin¬
nerst mich an alle deine Leidens-Mitschwestern --
ich weiß es zwar aus meiner Psychologie recht gut,
ihr armen Weiber daß euere Leiden nicht so groß
sind als ich mir sie denke, eben weil ich sie denke
und nicht fühle, da der Blitz, der in der Ferne
der Vorstellung zu einer Flammen-Schlange wird,
in der Wirklichkeit nur ein Funke ist, der durch
mehrere Augenblicke schießet; aber kann sich ein
Mann, ihr weiblichen Wesen, die Seelen-Kon¬
tusionen und Frakturen denken, die sein grober
von Waffen gehärteter Finger in euere weiche Ner¬
ven drücken muß, da er nicht einmal so sanft mit
euch umgeht wie ihr mit ihm oder er selber mit
saftvollen glatten Raupen, die er nur mit dem
ganzen Blatte worauf sie liegen, wegzutragen
wagt?. . . Und vollends eine Louise und eine Bea¬
ta! -- Aber wäre Jean Paul nur euer Gerichtshal¬
ter, wie ihm der Alte zugesagt, er wollt' euch,
trösten genug. . . .

Warum biſt du' nicht einer Seele zugefallen, die
dich nachahmt und kennt und belohnt? warum wa¬
ren dir fuͤr deine Aufopferungen, fuͤr deine Her¬
zensriſſe hienieden keine ſchmerzſtillenden Tropfen
als die beſchieden, die deinetwegen aus den ſchoͤ¬
nen Augen deiner Tochter fallen? — ach du erin¬
nerſt mich an alle deine Leidens-Mitſchweſtern —
ich weiß es zwar aus meiner Pſychologie recht gut,
ihr armen Weiber daß euere Leiden nicht ſo groß
ſind als ich mir ſie denke, eben weil ich ſie denke
und nicht fuͤhle, da der Blitz, der in der Ferne
der Vorſtellung zu einer Flammen-Schlange wird,
in der Wirklichkeit nur ein Funke iſt, der durch
mehrere Augenblicke ſchießet; aber kann ſich ein
Mann, ihr weiblichen Weſen, die Seelen-Kon¬
tuſionen und Frakturen denken, die ſein grober
von Waffen gehaͤrteter Finger in euere weiche Ner¬
ven druͤcken muß, da er nicht einmal ſo ſanft mit
euch umgeht wie ihr mit ihm oder er ſelber mit
ſaftvollen glatten Raupen, die er nur mit dem
ganzen Blatte worauf ſie liegen, wegzutragen
wagt?. . . Und vollends eine Louiſe und eine Bea¬
ta! — Aber waͤre Jean Paul nur euer Gerichtshal¬
ter, wie ihm der Alte zugeſagt, er wollt' euch,
troͤſten genug. . . .

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[264/0300] Warum biſt du' nicht einer Seele zugefallen, die dich nachahmt und kennt und belohnt? warum wa¬ ren dir fuͤr deine Aufopferungen, fuͤr deine Her¬ zensriſſe hienieden keine ſchmerzſtillenden Tropfen als die beſchieden, die deinetwegen aus den ſchoͤ¬ nen Augen deiner Tochter fallen? — ach du erin¬ nerſt mich an alle deine Leidens-Mitſchweſtern — ich weiß es zwar aus meiner Pſychologie recht gut, ihr armen Weiber daß euere Leiden nicht ſo groß ſind als ich mir ſie denke, eben weil ich ſie denke und nicht fuͤhle, da der Blitz, der in der Ferne der Vorſtellung zu einer Flammen-Schlange wird, in der Wirklichkeit nur ein Funke iſt, der durch mehrere Augenblicke ſchießet; aber kann ſich ein Mann, ihr weiblichen Weſen, die Seelen-Kon¬ tuſionen und Frakturen denken, die ſein grober von Waffen gehaͤrteter Finger in euere weiche Ner¬ ven druͤcken muß, da er nicht einmal ſo ſanft mit euch umgeht wie ihr mit ihm oder er ſelber mit ſaftvollen glatten Raupen, die er nur mit dem ganzen Blatte worauf ſie liegen, wegzutragen wagt?. . . Und vollends eine Louiſe und eine Bea¬ ta! — Aber waͤre Jean Paul nur euer Gerichtshal¬ ter, wie ihm der Alte zugeſagt, er wollt' euch, troͤſten genug. . . .

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/300>, abgerufen am 22.11.2024.