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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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seinen Kopf auslaubten, die Eingänge des äussern
Lichts. --

Wahrhaftig weder der klappernde Mentor noch
seine Bücher, d. h. weder die Gartenscheere noch
die Gießkanne sättigen und färben die Blume, son¬
dern der Himmel und die Erde, zwischen denen sie
steht -- d. h. die Einsamkeit oder Gesellschaft in
der das Kind seine ersten Knospen-Minuten durch¬
wächset. Gesellschaft treibt das Alltagskind, das
seine Funken nur an fremden Stößen giebt. Aber
Einsamkeit zieht sich am besten über die erhabnere
Seele, wie ein öder Platz einen Pallast erhebt:
hier erzieht sie sich unter befreundeten Bildern und
Träumen symmetrischer als unter ungleichartigen
Nutzanwendungen. Um so mehr haben Generalac¬
ciskollegien darauf zu sehen, daß große poetische
Genies -- im Grunde taugt keines zu einem ge¬
scheuten Kammer- oder Kanzleiverwandten -- vom
10ten Jahre bis zum 35sten in lauter Visiten-
Schreib- und Votierzimmern herumgehetzet werden,
ohne in eine stille Minute zu kommen; sonst ist
keines in einen Archivar, oder Registrator umzu¬
setzen. Daher hält auch das Marktgetöse der gros¬
sen Welt allen Wuchs der Phantasie so glücklich
am Boden.

S

ſeinen Kopf auslaubten, die Eingaͤnge des aͤuſſern
Lichts. —

Wahrhaftig weder der klappernde Mentor noch
ſeine Buͤcher, d. h. weder die Gartenſcheere noch
die Gießkanne ſaͤttigen und faͤrben die Blume, ſon¬
dern der Himmel und die Erde, zwiſchen denen ſie
ſteht — d. h. die Einſamkeit oder Geſellſchaft in
der das Kind ſeine erſten Knoſpen-Minuten durch¬
waͤchſet. Geſellſchaft treibt das Alltagskind, das
ſeine Funken nur an fremden Stoͤßen giebt. Aber
Einſamkeit zieht ſich am beſten uͤber die erhabnere
Seele, wie ein oͤder Platz einen Pallaſt erhebt:
hier erzieht ſie ſich unter befreundeten Bildern und
Traͤumen ſymmetriſcher als unter ungleichartigen
Nutzanwendungen. Um ſo mehr haben Generalac¬
ciskollegien darauf zu ſehen, daß große poetiſche
Genies — im Grunde taugt keines zu einem ge¬
ſcheuten Kammer- oder Kanzleiverwandten — vom
10ten Jahre bis zum 35ſten in lauter Viſiten-
Schreib- und Votierzimmern herumgehetzet werden,
ohne in eine ſtille Minute zu kommen; ſonſt iſt
keines in einen Archivar, oder Regiſtrator umzu¬
ſetzen. Daher haͤlt auch das Marktgetoͤſe der groſ¬
ſen Welt allen Wuchs der Phantaſie ſo gluͤcklich
am Boden.

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[273/0309] ſeinen Kopf auslaubten, die Eingaͤnge des aͤuſſern Lichts. — Wahrhaftig weder der klappernde Mentor noch ſeine Buͤcher, d. h. weder die Gartenſcheere noch die Gießkanne ſaͤttigen und faͤrben die Blume, ſon¬ dern der Himmel und die Erde, zwiſchen denen ſie ſteht — d. h. die Einſamkeit oder Geſellſchaft in der das Kind ſeine erſten Knoſpen-Minuten durch¬ waͤchſet. Geſellſchaft treibt das Alltagskind, das ſeine Funken nur an fremden Stoͤßen giebt. Aber Einſamkeit zieht ſich am beſten uͤber die erhabnere Seele, wie ein oͤder Platz einen Pallaſt erhebt: hier erzieht ſie ſich unter befreundeten Bildern und Traͤumen ſymmetriſcher als unter ungleichartigen Nutzanwendungen. Um ſo mehr haben Generalac¬ ciskollegien darauf zu ſehen, daß große poetiſche Genies — im Grunde taugt keines zu einem ge¬ ſcheuten Kammer- oder Kanzleiverwandten — vom 10ten Jahre bis zum 35ſten in lauter Viſiten- Schreib- und Votierzimmern herumgehetzet werden, ohne in eine ſtille Minute zu kommen; ſonſt iſt keines in einen Archivar, oder Regiſtrator umzu¬ ſetzen. Daher haͤlt auch das Marktgetoͤſe der groſ¬ ſen Welt allen Wuchs der Phantaſie ſo gluͤcklich am Boden. S

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/309>, abgerufen am 21.11.2024.