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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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Zwanzigster Sektor.

Das zweite Lebens-Jahrzehend -- Gespenstergeschichte --
Nacht-Szene -- Lebensregeln.


Oefel hielt Wort. Vierzehn Tage darauf schrieb
uns der Professor Hoppedizel, er werde den neuen
Kadetten abholen. -- -- Nun wurde unser bishe¬
riger Wunsch unsre Pein. Gustavs und mein Bund
sollte auseinander gedehnt und verrenkt werden:
jedes Buch das wir nun zusammenlasen, kränkte
uns mit dem Gedanken, daß es jeder allein zu
Ende bringen würde; ich wollte meinen Gustav
kaum etwas mehr lehren, dessen Ausbau ich an
fremde Architekten übergeben mußte und jeder schö¬
ne Blumenplatz war uns die Gartenthür des Edens,
die ein armirter Cherub abschloß. Die Sturmmo¬
nate seines Herzens rückten nun auch näher. Ich
hatte ohnehin den Flügeln seiner Phantasie nicht
Federn genug ausgerissen und ihn aus seiner Ein¬
samkeit nicht oft genug verjagt. In dieser trieb
seine Phantasie ihre Wurzeln in alle Fibern seiner
Natur hinein und verhieng mit den Blüten, die

seinen
Zwanzigſter Sektor.

Das zweite Lebens-Jahrzehend — Geſpenſtergeſchichte —
Nacht-Szene — Lebensregeln.


Oefel hielt Wort. Vierzehn Tage darauf ſchrieb
uns der Profeſſor Hoppedizel, er werde den neuen
Kadetten abholen. — — Nun wurde unſer bishe¬
riger Wunſch unſre Pein. Guſtavs und mein Bund
ſollte auseinander gedehnt und verrenkt werden:
jedes Buch das wir nun zuſammenlaſen, kraͤnkte
uns mit dem Gedanken, daß es jeder allein zu
Ende bringen wuͤrde; ich wollte meinen Guſtav
kaum etwas mehr lehren, deſſen Ausbau ich an
fremde Architekten uͤbergeben mußte und jeder ſchoͤ¬
ne Blumenplatz war uns die Gartenthuͤr des Edens,
die ein armirter Cherub abſchloß. Die Sturmmo¬
nate ſeines Herzens ruͤckten nun auch naͤher. Ich
hatte ohnehin den Fluͤgeln ſeiner Phantaſie nicht
Federn genug ausgeriſſen und ihn aus ſeiner Ein¬
ſamkeit nicht oft genug verjagt. In dieſer trieb
ſeine Phantaſie ihre Wurzeln in alle Fibern ſeiner
Natur hinein und verhieng mit den Bluͤten, die

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[272/0308] Zwanzigſter Sektor. Das zweite Lebens-Jahrzehend — Geſpenſtergeſchichte — Nacht-Szene — Lebensregeln. Oefel hielt Wort. Vierzehn Tage darauf ſchrieb uns der Profeſſor Hoppedizel, er werde den neuen Kadetten abholen. — — Nun wurde unſer bishe¬ riger Wunſch unſre Pein. Guſtavs und mein Bund ſollte auseinander gedehnt und verrenkt werden: jedes Buch das wir nun zuſammenlaſen, kraͤnkte uns mit dem Gedanken, daß es jeder allein zu Ende bringen wuͤrde; ich wollte meinen Guſtav kaum etwas mehr lehren, deſſen Ausbau ich an fremde Architekten uͤbergeben mußte und jeder ſchoͤ¬ ne Blumenplatz war uns die Gartenthuͤr des Edens, die ein armirter Cherub abſchloß. Die Sturmmo¬ nate ſeines Herzens ruͤckten nun auch naͤher. Ich hatte ohnehin den Fluͤgeln ſeiner Phantaſie nicht Federn genug ausgeriſſen und ihn aus ſeiner Ein¬ ſamkeit nicht oft genug verjagt. In dieſer trieb ſeine Phantaſie ihre Wurzeln in alle Fibern ſeiner Natur hinein und verhieng mit den Bluͤten, die ſeinen

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/308>, abgerufen am 22.11.2024.