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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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Er lud also seine Doppelpistolen, um dem Teu¬
fel mit dem Pulver, das er nach Milton früher als die
Sineser erfunden, anzufallen; sein Gustav mußte
mit dabei seyn, um muthig zu werden. Die Schlo߬
uhr schlug 11, es kam nichts -- sie schlug 12, wie¬
der nichts -- sie schlug 12 noch einmal ohne Hülfe
des Uhrwerks: jetzt wickelte sich auf dem Schloßbo¬
den ein hieroglyphisches Gepolter heran, drei Füße
traten die vielen Treppen herab und erschüttern den
Korridor. Er, der selten in Leiden, aber immer in
Gefahren muthig war, gieng langsam aus dem
Zimmer und sah im langen Gange nichts als die
ausgeblasene Hauslaterne an der Haupttreppe: et¬
was gieng im Finstern auf ihn zu -- und indem
er auf das stumme Wesen feuern wollte, rief er:
wer da? Plötzlich blitzte fünf Schritte von ihm --
und hier faßte der Tetanus der Angst Gustavs Ner¬
ven -- das Licht einer Blendlaterne auf ein Ge¬
sicht, das in der Luft hieng und das sagte: "Hop¬
pedizel!" Der wars; warf sein Stiefelholz und
andern Apperat dieser Farze weg und niemand hat¬
te etwas darwider als der Rittmeister, weil er sei¬
nen Muth nicht beweisen konnte, und die Ritt¬
meisterin, weil sie keinen bewiesen hatte.

Er lud alſo ſeine Doppelpiſtolen, um dem Teu¬
fel mit dem Pulver, das er nach Milton fruͤher als die
Sineſer erfunden, anzufallen; ſein Guſtav mußte
mit dabei ſeyn, um muthig zu werden. Die Schlo߬
uhr ſchlug 11, es kam nichts — ſie ſchlug 12, wie¬
der nichts — ſie ſchlug 12 noch einmal ohne Huͤlfe
des Uhrwerks: jetzt wickelte ſich auf dem Schloßbo¬
den ein hieroglyphiſches Gepolter heran, drei Fuͤße
traten die vielen Treppen herab und erſchuͤttern den
Korridor. Er, der ſelten in Leiden, aber immer in
Gefahren muthig war, gieng langſam aus dem
Zimmer und ſah im langen Gange nichts als die
ausgeblaſene Hauslaterne an der Haupttreppe: et¬
was gieng im Finſtern auf ihn zu — und indem
er auf das ſtumme Weſen feuern wollte, rief er:
wer da? Ploͤtzlich blitzte fuͤnf Schritte von ihm —
und hier faßte der Tetanus der Angſt Guſtavs Ner¬
ven — das Licht einer Blendlaterne auf ein Ge¬
ſicht, das in der Luft hieng und das ſagte: „Hop¬
pedizel!” Der wars; warf ſein Stiefelholz und
andern Apperat dieſer Farze weg und niemand hat¬
te etwas darwider als der Rittmeiſter, weil er ſei¬
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[277/0313] Er lud alſo ſeine Doppelpiſtolen, um dem Teu¬ fel mit dem Pulver, das er nach Milton fruͤher als die Sineſer erfunden, anzufallen; ſein Guſtav mußte mit dabei ſeyn, um muthig zu werden. Die Schlo߬ uhr ſchlug 11, es kam nichts — ſie ſchlug 12, wie¬ der nichts — ſie ſchlug 12 noch einmal ohne Huͤlfe des Uhrwerks: jetzt wickelte ſich auf dem Schloßbo¬ den ein hieroglyphiſches Gepolter heran, drei Fuͤße traten die vielen Treppen herab und erſchuͤttern den Korridor. Er, der ſelten in Leiden, aber immer in Gefahren muthig war, gieng langſam aus dem Zimmer und ſah im langen Gange nichts als die ausgeblaſene Hauslaterne an der Haupttreppe: et¬ was gieng im Finſtern auf ihn zu — und indem er auf das ſtumme Weſen feuern wollte, rief er: wer da? Ploͤtzlich blitzte fuͤnf Schritte von ihm — und hier faßte der Tetanus der Angſt Guſtavs Ner¬ ven — das Licht einer Blendlaterne auf ein Ge¬ ſicht, das in der Luft hieng und das ſagte: „Hop¬ pedizel!” Der wars; warf ſein Stiefelholz und andern Apperat dieſer Farze weg und niemand hat¬ te etwas darwider als der Rittmeiſter, weil er ſei¬ nen Muth nicht beweiſen konnte, und die Ritt¬ meiſterin, weil ſie keinen bewieſen hatte.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/313>, abgerufen am 21.11.2024.