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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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waren eben meine Wendeltreppe zu diesem Gericht¬
stuhl: mein Gerichtsprinzipal muß zu seinen ewi¬
gen Kämpfen mit allen Instanzen und Edelleuten
einen juristischen Taureador, einen hitzigen Feder¬
messer-Harpunirer haben; Kolb sagte aber, ich
wäre einer. Zweitens präsentirte mir Hr. v. Rö¬
per den Gerichtsstuhl, weil ich weder ritt (des kur¬
zen Beines wegen) noch fuhr (des seekranken Ma¬
gens wegen) und mithin zur Justitzpflege ohne den
Pferde-Nachtrab, den sein Stall bisher zu appa¬
nagiren hatte, gegangen kam. Für Rezensenten
und deren Redakteurs wird der Wink kein Schade
seyn, daß sie bedenken mögen, daß sie von nun
an Papier nehmen und einen Mann rezensiren, der
nicht etwan wie sie Nichts ist, sondern einen der
so gut richtet wie sie, aber über ein reelleres Le¬
ben als das litterarische und der solche Rezensenten
selber henken kann, wenn sie in seinem Gerichts¬
sprengel etwas anders stehlen als Ehre.

Jetzt kömmt die Hauptsache. Ich war zum er¬
stenmal als Prätor in Maussenbach und trat mei¬
ne Amtmannschaft an. Es gieng alles recht gut,
ich und Unterthanen wurden einander präsentiret
und ich hatte an diesem Tage über tausend Hände

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waren eben meine Wendeltreppe zu dieſem Gericht¬
ſtuhl: mein Gerichtsprinzipal muß zu ſeinen ewi¬
gen Kaͤmpfen mit allen Inſtanzen und Edelleuten
einen juriſtiſchen Taureador, einen hitzigen Feder¬
meſſer-Harpunirer haben; Kolb ſagte aber, ich
waͤre einer. Zweitens praͤſentirte mir Hr. v. Roͤ¬
per den Gerichtsſtuhl, weil ich weder ritt (des kur¬
zen Beines wegen) noch fuhr (des ſeekranken Ma¬
gens wegen) und mithin zur Juſtitzpflege ohne den
Pferde-Nachtrab, den ſein Stall bisher zu appa¬
nagiren hatte, gegangen kam. Fuͤr Rezenſenten
und deren Redakteurs wird der Wink kein Schade
ſeyn, daß ſie bedenken moͤgen, daß ſie von nun
an Papier nehmen und einen Mann rezenſiren, der
nicht etwan wie ſie Nichts iſt, ſondern einen der
ſo gut richtet wie ſie, aber uͤber ein reelleres Le¬
ben als das litterariſche und der ſolche Rezenſenten
ſelber henken kann, wenn ſie in ſeinem Gerichts¬
ſprengel etwas anders ſtehlen als Ehre.

Jetzt koͤmmt die Hauptſache. Ich war zum er¬
ſtenmal als Praͤtor in Mauſſenbach und trat mei¬
ne Amtmannſchaft an. Es gieng alles recht gut,
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und ich hatte an dieſem Tage uͤber tauſend Haͤnde

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[307/0343] waren eben meine Wendeltreppe zu dieſem Gericht¬ ſtuhl: mein Gerichtsprinzipal muß zu ſeinen ewi¬ gen Kaͤmpfen mit allen Inſtanzen und Edelleuten einen juriſtiſchen Taureador, einen hitzigen Feder¬ meſſer-Harpunirer haben; Kolb ſagte aber, ich waͤre einer. Zweitens praͤſentirte mir Hr. v. Roͤ¬ per den Gerichtsſtuhl, weil ich weder ritt (des kur¬ zen Beines wegen) noch fuhr (des ſeekranken Ma¬ gens wegen) und mithin zur Juſtitzpflege ohne den Pferde-Nachtrab, den ſein Stall bisher zu appa¬ nagiren hatte, gegangen kam. Fuͤr Rezenſenten und deren Redakteurs wird der Wink kein Schade ſeyn, daß ſie bedenken moͤgen, daß ſie von nun an Papier nehmen und einen Mann rezenſiren, der nicht etwan wie ſie Nichts iſt, ſondern einen der ſo gut richtet wie ſie, aber uͤber ein reelleres Le¬ ben als das litterariſche und der ſolche Rezenſenten ſelber henken kann, wenn ſie in ſeinem Gerichts¬ ſprengel etwas anders ſtehlen als Ehre. Jetzt koͤmmt die Hauptſache. Ich war zum er¬ ſtenmal als Praͤtor in Mauſſenbach und trat mei¬ ne Amtmannſchaft an. Es gieng alles recht gut, ich und Unterthanen wurden einander praͤſentiret und ich hatte an dieſem Tage uͤber tauſend Haͤnde U 2

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/343>, abgerufen am 22.11.2024.