Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

Gustav für die Poesie Geschmack, und folglich,
schloß er, für die seinige den größten hatte: denn
Oefels adeliches Blut lief wider die Natur in
einer dünnen poetischen Ader, und in einer
satyrischen dazu, dacht' er. Vielleicht fand auch
Gustav in seinen Jahren des Geschmacks, wo einen
die poetischen kleinern Schönheiten und Fehler ent¬
zücken, zuweilen die Oefelschen gut. Wie nun
schon Rousseau sagt, er könne nur den zum Freund
erwählen, dem seine Heloise gefalle: so können
Belletristen nur solchen Leuten ihr Herz verschen¬
ken, die mit ihnen Aehnlichkeit des Herzens, Gei¬
stes und folglich des Geschmackes haben und die mit¬
hin die Schönheiten ihrer Produkte so lebhaft em
pfinden als sie selber.

Was indessen Oefel an Gustav am höchten
schätzte, war, daß er in seinen Roman zu pflan¬
zen war. Er hatte in der Kadetten-Arche sieben
und sechzig Exemplare studiert, aber er konnte da¬
von keines zum Helden seines Buchs erheben, zum
Großsultan, als das acht und sechzigste, Gu¬
stav.

Und der ist gerade mein Held auch. Das kann
aber unerhörten Spas mit der Zeit geben, und ich

Guſtav fuͤr die Poeſie Geſchmack, und folglich,
ſchloß er, fuͤr die ſeinige den groͤßten hatte: denn
Oefels adeliches Blut lief wider die Natur in
einer duͤnnen poetiſchen Ader, und in einer
ſatyriſchen dazu, dacht' er. Vielleicht fand auch
Guſtav in ſeinen Jahren des Geſchmacks, wo einen
die poetiſchen kleinern Schoͤnheiten und Fehler ent¬
zuͤcken, zuweilen die Oefelſchen gut. Wie nun
ſchon Rouſſeau ſagt, er koͤnne nur den zum Freund
erwaͤhlen, dem ſeine Heloiſe gefalle: ſo koͤnnen
Belletriſten nur ſolchen Leuten ihr Herz verſchen¬
ken, die mit ihnen Aehnlichkeit des Herzens, Gei¬
ſtes und folglich des Geſchmackes haben und die mit¬
hin die Schoͤnheiten ihrer Produkte ſo lebhaft em
pfinden als ſie ſelber.

Was indeſſen Oefel an Guſtav am hoͤchten
ſchaͤtzte, war, daß er in ſeinen Roman zu pflan¬
zen war. Er hatte in der Kadetten-Arche ſieben
und ſechzig Exemplare ſtudiert, aber er konnte da¬
von keines zum Helden ſeines Buchs erheben, zum
Großſultan, als das acht und ſechzigſte, Gu¬
ſtav.

Und der iſt gerade mein Held auch. Das kann
aber unerhoͤrten Spas mit der Zeit geben, und ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0380" n="344"/>
Gu&#x017F;tav fu&#x0364;r die Poe&#x017F;ie Ge&#x017F;chmack, und folglich,<lb/>
&#x017F;chloß er, fu&#x0364;r die &#x017F;einige den gro&#x0364;ßten hatte: denn<lb/>
Oefels <hi rendition="#g">adeliches Blut</hi> lief wider die Natur in<lb/>
einer du&#x0364;nnen <hi rendition="#g">poeti&#x017F;chen Ader</hi>, und in einer<lb/><hi rendition="#g">&#x017F;atyri&#x017F;chen</hi> dazu, dacht' er. Vielleicht fand auch<lb/>
Gu&#x017F;tav in &#x017F;einen Jahren des Ge&#x017F;chmacks, wo einen<lb/>
die poeti&#x017F;chen kleinern Scho&#x0364;nheiten und Fehler ent¬<lb/>
zu&#x0364;cken, zuweilen die Oefel&#x017F;chen gut. Wie nun<lb/>
&#x017F;chon Rou&#x017F;&#x017F;eau &#x017F;agt, er ko&#x0364;nne nur den zum Freund<lb/>
erwa&#x0364;hlen, dem &#x017F;eine Heloi&#x017F;e gefalle: &#x017F;o ko&#x0364;nnen<lb/>
Belletri&#x017F;ten nur &#x017F;olchen Leuten ihr Herz ver&#x017F;chen¬<lb/>
ken, die mit ihnen Aehnlichkeit des Herzens, Gei¬<lb/>
&#x017F;tes und folglich des Ge&#x017F;chmackes haben und die mit¬<lb/>
hin die Scho&#x0364;nheiten ihrer Produkte &#x017F;o lebhaft em<lb/>
pfinden als &#x017F;ie &#x017F;elber.</p><lb/>
          <p>Was inde&#x017F;&#x017F;en Oefel an Gu&#x017F;tav am ho&#x0364;chten<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;tzte, war, daß er in &#x017F;einen Roman zu pflan¬<lb/>
zen war. Er hatte in der Kadetten-Arche &#x017F;ieben<lb/>
und &#x017F;echzig Exemplare &#x017F;tudiert, aber er konnte da¬<lb/>
von keines zum Helden &#x017F;eines Buchs erheben, zum<lb/><hi rendition="#g">Groß&#x017F;ultan</hi>, als das acht und &#x017F;echzig&#x017F;te, Gu¬<lb/>
&#x017F;tav.</p><lb/>
          <p>Und der i&#x017F;t gerade mein Held auch. Das kann<lb/>
aber unerho&#x0364;rten Spas mit der Zeit geben, und ich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[344/0380] Guſtav fuͤr die Poeſie Geſchmack, und folglich, ſchloß er, fuͤr die ſeinige den groͤßten hatte: denn Oefels adeliches Blut lief wider die Natur in einer duͤnnen poetiſchen Ader, und in einer ſatyriſchen dazu, dacht' er. Vielleicht fand auch Guſtav in ſeinen Jahren des Geſchmacks, wo einen die poetiſchen kleinern Schoͤnheiten und Fehler ent¬ zuͤcken, zuweilen die Oefelſchen gut. Wie nun ſchon Rouſſeau ſagt, er koͤnne nur den zum Freund erwaͤhlen, dem ſeine Heloiſe gefalle: ſo koͤnnen Belletriſten nur ſolchen Leuten ihr Herz verſchen¬ ken, die mit ihnen Aehnlichkeit des Herzens, Gei¬ ſtes und folglich des Geſchmackes haben und die mit¬ hin die Schoͤnheiten ihrer Produkte ſo lebhaft em pfinden als ſie ſelber. Was indeſſen Oefel an Guſtav am hoͤchten ſchaͤtzte, war, daß er in ſeinen Roman zu pflan¬ zen war. Er hatte in der Kadetten-Arche ſieben und ſechzig Exemplare ſtudiert, aber er konnte da¬ von keines zum Helden ſeines Buchs erheben, zum Großſultan, als das acht und ſechzigſte, Gu¬ ſtav. Und der iſt gerade mein Held auch. Das kann aber unerhoͤrten Spas mit der Zeit geben, und ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/380
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/380>, abgerufen am 09.06.2024.