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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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Fünf u. zwanzigster oder XXII . Trinitatis-Sekt.

Ottomars Brief.


Wenn wir Ottomars Brief gelesen: so wollen wir
uns an Gustavs neues Theater stellen und ihm zu¬
schauen. Im folgenden Briefe herrscht und tobt
ein Geist, der wie ein Alp, alle Menschen höhe¬
rer und edler Art drückt und oft bewohnt und den
bloß -- so viel er auch holländische Geister überwie¬
ge -- ein höherer Geist übertrift und hinaus¬
drängt: viele Menschen leben in der Erdnähe,
einige in der Erdferne, wenige in der Sonnen¬
nähe. -- Fenk sehnte sich so oft nach seinem Ot¬
tomar, zumal nach seinem Stillschweigen von ei¬
nigen Jahren, und er sprach so oft von ihm ge¬
gen Gustav, daß es gut war, daß die Adresse des
Briefes von fremder Hand und an Doktor Zoppo
in Pavia war: sonst hätt' er sogleich gegen die er¬
ste Zeile des Briefes gesündigt.


"Nenne, ewiger Freund, meinen Namen dem
Ueberbringer nicht: ich muß es thun. Auf mei¬

Fuͤnf u. zwanzigſter oder XXII . Trinitatis-Sekt.

Ottomars Brief.


Wenn wir Ottomars Brief geleſen: ſo wollen wir
uns an Guſtavs neues Theater ſtellen und ihm zu¬
ſchauen. Im folgenden Briefe herrſcht und tobt
ein Geiſt, der wie ein Alp, alle Menſchen hoͤhe¬
rer und edler Art druͤckt und oft bewohnt und den
bloß — ſo viel er auch hollaͤndiſche Geiſter uͤberwie¬
ge — ein hoͤherer Geiſt uͤbertrift und hinaus¬
draͤngt: viele Menſchen leben in der Erdnaͤhe,
einige in der Erdferne, wenige in der Sonnen¬
naͤhe. — Fenk ſehnte ſich ſo oft nach ſeinem Ot¬
tomar, zumal nach ſeinem Stillſchweigen von ei¬
nigen Jahren, und er ſprach ſo oft von ihm ge¬
gen Guſtav, daß es gut war, daß die Adreſſe des
Briefes von fremder Hand und an Doktor Zoppo
in Pavia war: ſonſt haͤtt' er ſogleich gegen die er¬
ſte Zeile des Briefes geſuͤndigt.


„Nenne, ewiger Freund, meinen Namen dem
Ueberbringer nicht: ich muß es thun. Auf mei¬

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[362/0398] Fuͤnf u. zwanzigſter oder XXII . Trinitatis-Sekt. Ottomars Brief. Wenn wir Ottomars Brief geleſen: ſo wollen wir uns an Guſtavs neues Theater ſtellen und ihm zu¬ ſchauen. Im folgenden Briefe herrſcht und tobt ein Geiſt, der wie ein Alp, alle Menſchen hoͤhe¬ rer und edler Art druͤckt und oft bewohnt und den bloß — ſo viel er auch hollaͤndiſche Geiſter uͤberwie¬ ge — ein hoͤherer Geiſt uͤbertrift und hinaus¬ draͤngt: viele Menſchen leben in der Erdnaͤhe, einige in der Erdferne, wenige in der Sonnen¬ naͤhe. — Fenk ſehnte ſich ſo oft nach ſeinem Ot¬ tomar, zumal nach ſeinem Stillſchweigen von ei¬ nigen Jahren, und er ſprach ſo oft von ihm ge¬ gen Guſtav, daß es gut war, daß die Adreſſe des Briefes von fremder Hand und an Doktor Zoppo in Pavia war: ſonſt haͤtt' er ſogleich gegen die er¬ ſte Zeile des Briefes geſuͤndigt. „Nenne, ewiger Freund, meinen Namen dem Ueberbringer nicht: ich muß es thun. Auf mei¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/398>, abgerufen am 24.11.2024.