Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

zog alle unter dem Einlegen niedergefallnen Pfen¬
nige magnetisch an sich -- eine ansehnliche Silber¬
flotte von 18 Pfennigen mitgebracht. Die Pracht
des Mahls erdrückte in dieser Stube das Vergnü¬
gen nicht: Messer und Gabel waren wie schon ge¬
sagt von Silber und von mir; aber wer sollte
nicht damit mit Vergnügen an einer Tafel agiren,
wo der Braten und die Sauce aus Einer -- Pfan¬
ne gespeiset werden? -- Unsere plats de menage
waren vielleicht für einen Kurfürsten zu kostbar:
denn sie bestanden nicht etwan aus Porzellain,
Wachs oder aus Alabaster-Sämereien auf Spie¬
gelplatten und waren nicht etwan bloß wenige
Pfund schwer: sondern die beiden Schaugerichte
wogen sechzig und waren vom nämlichen Meister
und von der nämlichen Materie wie die Churfür¬
stenbank, von Fleisch und Blut, Wuzens Kin¬
der. Ein geistlicher Churfürst würde vor Vergnü¬
gen keinen Bissen essen können, wenn er wie wir
neben seiner Riesentafel ein Zwerg-Täfelgen mit
seinen Kleinen darum, stehen hätte. Ihr Tisch
war nicht viel größer als eine Heeringschüssel; sie
sahen aber auf Verhältniß und speiseten auf dem
lilliputischen Tafel-Service, wovon sie seit Weih¬

zog alle unter dem Einlegen niedergefallnen Pfen¬
nige magnetiſch an ſich — eine anſehnliche Silber¬
flotte von 18 Pfennigen mitgebracht. Die Pracht
des Mahls erdruͤckte in dieſer Stube das Vergnuͤ¬
gen nicht: Meſſer und Gabel waren wie ſchon ge¬
ſagt von Silber und von mir; aber wer ſollte
nicht damit mit Vergnuͤgen an einer Tafel agiren,
wo der Braten und die Sauce aus Einer — Pfan¬
ne geſpeiſet werden? — Unſere plats de menage
waren vielleicht fuͤr einen Kurfuͤrſten zu koſtbar:
denn ſie beſtanden nicht etwan aus Porzellain,
Wachs oder aus Alabaſter-Saͤmereien auf Spie¬
gelplatten und waren nicht etwan bloß wenige
Pfund ſchwer: ſondern die beiden Schaugerichte
wogen ſechzig und waren vom naͤmlichen Meiſter
und von der naͤmlichen Materie wie die Churfuͤr¬
ſtenbank, von Fleiſch und Blut, Wuzens Kin¬
der. Ein geiſtlicher Churfuͤrſt wuͤrde vor Vergnuͤ¬
gen keinen Biſſen eſſen koͤnnen, wenn er wie wir
neben ſeiner Rieſentafel ein Zwerg-Taͤfelgen mit
ſeinen Kleinen darum, ſtehen haͤtte. Ihr Tiſch
war nicht viel groͤßer als eine Heeringſchuͤſſel; ſie
ſahen aber auf Verhaͤltniß und ſpeiſeten auf dem
lilliputiſchen Tafel-Service, wovon ſie ſeit Weih¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0422" n="386"/>
zog alle unter dem Einlegen niedergefallnen Pfen¬<lb/>
nige magneti&#x017F;ch an &#x017F;ich &#x2014; eine an&#x017F;ehnliche Silber¬<lb/>
flotte von 18 Pfennigen mitgebracht. Die Pracht<lb/>
des Mahls erdru&#x0364;ckte in die&#x017F;er Stube das Vergnu&#x0364;¬<lb/>
gen nicht: Me&#x017F;&#x017F;er und Gabel waren wie &#x017F;chon ge¬<lb/>
&#x017F;agt von Silber und von mir; aber wer &#x017F;ollte<lb/>
nicht damit mit Vergnu&#x0364;gen an einer Tafel agiren,<lb/>
wo der Braten und die Sauce aus Einer &#x2014; Pfan¬<lb/>
ne ge&#x017F;pei&#x017F;et werden? &#x2014; Un&#x017F;ere <hi rendition="#aq">plats de menage</hi><lb/>
waren vielleicht fu&#x0364;r einen Kurfu&#x0364;r&#x017F;ten zu ko&#x017F;tbar:<lb/>
denn &#x017F;ie be&#x017F;tanden nicht etwan aus Porzellain,<lb/>
Wachs oder aus Alaba&#x017F;ter-Sa&#x0364;mereien auf Spie¬<lb/>
gelplatten und waren nicht etwan bloß wenige<lb/>
Pfund &#x017F;chwer: &#x017F;ondern die beiden Schaugerichte<lb/>
wogen &#x017F;echzig und waren vom na&#x0364;mlichen Mei&#x017F;ter<lb/>
und von der na&#x0364;mlichen Materie wie die Churfu&#x0364;<lb/>
&#x017F;tenbank, von Flei&#x017F;ch und Blut, Wuzens Kin¬<lb/>
der. Ein gei&#x017F;tlicher Churfu&#x0364;r&#x017F;t wu&#x0364;rde vor Vergnu&#x0364;¬<lb/>
gen keinen Bi&#x017F;&#x017F;en e&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnen, wenn er wie wir<lb/>
neben &#x017F;einer Rie&#x017F;entafel ein Zwerg-Ta&#x0364;felgen mit<lb/>
&#x017F;einen Kleinen darum, &#x017F;tehen ha&#x0364;tte. Ihr Ti&#x017F;ch<lb/>
war nicht viel gro&#x0364;ßer als eine Heering&#x017F;chu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el; &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ahen aber auf Verha&#x0364;ltniß und &#x017F;pei&#x017F;eten auf dem<lb/>
lilliputi&#x017F;chen Tafel-Service, wovon &#x017F;ie &#x017F;eit Weih¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[386/0422] zog alle unter dem Einlegen niedergefallnen Pfen¬ nige magnetiſch an ſich — eine anſehnliche Silber¬ flotte von 18 Pfennigen mitgebracht. Die Pracht des Mahls erdruͤckte in dieſer Stube das Vergnuͤ¬ gen nicht: Meſſer und Gabel waren wie ſchon ge¬ ſagt von Silber und von mir; aber wer ſollte nicht damit mit Vergnuͤgen an einer Tafel agiren, wo der Braten und die Sauce aus Einer — Pfan¬ ne geſpeiſet werden? — Unſere plats de menage waren vielleicht fuͤr einen Kurfuͤrſten zu koſtbar: denn ſie beſtanden nicht etwan aus Porzellain, Wachs oder aus Alabaſter-Saͤmereien auf Spie¬ gelplatten und waren nicht etwan bloß wenige Pfund ſchwer: ſondern die beiden Schaugerichte wogen ſechzig und waren vom naͤmlichen Meiſter und von der naͤmlichen Materie wie die Churfuͤr¬ ſtenbank, von Fleiſch und Blut, Wuzens Kin¬ der. Ein geiſtlicher Churfuͤrſt wuͤrde vor Vergnuͤ¬ gen keinen Biſſen eſſen koͤnnen, wenn er wie wir neben ſeiner Rieſentafel ein Zwerg-Taͤfelgen mit ſeinen Kleinen darum, ſtehen haͤtte. Ihr Tiſch war nicht viel groͤßer als eine Heeringſchuͤſſel; ſie ſahen aber auf Verhaͤltniß und ſpeiſeten auf dem lilliputiſchen Tafel-Service, wovon ſie ſeit Weih¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/422
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/422>, abgerufen am 21.11.2024.