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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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Pestilenziarius das Ohrläpgen zwischen den drei
Vorderfingern scheuerte und rieb -- wie ein offizi¬
nelles Blatt, an das man riechen will, -- um
es geschwollen und unempfindlich zu machen. Nichts
ist mir und dem Medizinalrath gefährlicher, als
wenn wir nur mit zwei, drei Fingern an ein
Frauenzimmer picken und anstreichen -- mit dem
ganzen Arm hinan zu kommen, ist für uns ohne
alle Gefahr; so wie etwann die Nesseln weit mehr
brennen, leise bestreift als hart gefasset. Vielleicht
ists mit diesem Feuer wie mit dem elektrischen, das
durch die Fingerspitzen mit größerem Strome in
den Menschen fährt als durch eine große Fläche. --
Meine Schwester gieng weiter und brachte einen
Apfel; der Doktor muste mit seinen Pulsfingern
das rothe Ohrläpgen an den Apfel pressen und
dann eine Zitternadel oder was es war durch die¬
ses Organ, das die Mädgen weit seltner als das
nächste spitzen, drücken -- nun konnte hinange¬
schnallet und hineingeknöpfet werden was dazu
paßt. Der Stahl kettete beinahe den Operateur
selber an ihr Ohr: "mit nichts strickt eine Schöne
uns mehr an sich als wenn sie uns Anlaß giebt,
ihr eine Gefälligkeit zu thun" sagte der Doktor

Peſtilenziarius das Ohrlaͤpgen zwiſchen den drei
Vorderfingern ſcheuerte und rieb — wie ein offizi¬
nelles Blatt, an das man riechen will, — um
es geſchwollen und unempfindlich zu machen. Nichts
iſt mir und dem Medizinalrath gefaͤhrlicher, als
wenn wir nur mit zwei, drei Fingern an ein
Frauenzimmer picken und anſtreichen — mit dem
ganzen Arm hinan zu kommen, iſt fuͤr uns ohne
alle Gefahr; ſo wie etwann die Neſſeln weit mehr
brennen, leiſe beſtreift als hart gefaſſet. Vielleicht
iſts mit dieſem Feuer wie mit dem elektriſchen, das
durch die Fingerſpitzen mit groͤßerem Strome in
den Menſchen faͤhrt als durch eine große Flaͤche. —
Meine Schweſter gieng weiter und brachte einen
Apfel; der Doktor muſte mit ſeinen Pulsfingern
das rothe Ohrlaͤpgen an den Apfel preſſen und
dann eine Zitternadel oder was es war durch die¬
ſes Organ, das die Maͤdgen weit ſeltner als das
naͤchſte ſpitzen, druͤcken — nun konnte hinange¬
ſchnallet und hineingeknoͤpfet werden was dazu
paßt. Der Stahl kettete beinahe den Operateur
ſelber an ihr Ohr: „mit nichts ſtrickt eine Schoͤne
uns mehr an ſich als wenn ſie uns Anlaß giebt,
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[389/0425] Peſtilenziarius das Ohrlaͤpgen zwiſchen den drei Vorderfingern ſcheuerte und rieb — wie ein offizi¬ nelles Blatt, an das man riechen will, — um es geſchwollen und unempfindlich zu machen. Nichts iſt mir und dem Medizinalrath gefaͤhrlicher, als wenn wir nur mit zwei, drei Fingern an ein Frauenzimmer picken und anſtreichen — mit dem ganzen Arm hinan zu kommen, iſt fuͤr uns ohne alle Gefahr; ſo wie etwann die Neſſeln weit mehr brennen, leiſe beſtreift als hart gefaſſet. Vielleicht iſts mit dieſem Feuer wie mit dem elektriſchen, das durch die Fingerſpitzen mit groͤßerem Strome in den Menſchen faͤhrt als durch eine große Flaͤche. — Meine Schweſter gieng weiter und brachte einen Apfel; der Doktor muſte mit ſeinen Pulsfingern das rothe Ohrlaͤpgen an den Apfel preſſen und dann eine Zitternadel oder was es war durch die¬ ſes Organ, das die Maͤdgen weit ſeltner als das naͤchſte ſpitzen, druͤcken — nun konnte hinange¬ ſchnallet und hineingeknoͤpfet werden was dazu paßt. Der Stahl kettete beinahe den Operateur ſelber an ihr Ohr: „mit nichts ſtrickt eine Schoͤne uns mehr an ſich als wenn ſie uns Anlaß giebt, ihr eine Gefaͤlligkeit zu thun” ſagte der Doktor

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/425>, abgerufen am 24.11.2024.