Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.Ottomar nach der Schweiz und Italien reisen, -- Ernestine silhouettiert hier den äußern Men¬ Ottomar nach der Schweiz und Italien reiſen, — Erneſtine ſilhouettiert hier den aͤußern Men¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0050" n="14"/><hi rendition="#g">Ottomar</hi> nach der Schweiz und Italien reiſen,<lb/> wie Sie ſchon wiſſen werden. Er ſetzt tolle Strei¬<lb/> che durch, wenns wahr iſt was er ſchwoͤrt, daß<lb/> dieſes ſeine 21ſte Verkleidung ſei und daß er eben<lb/> ſo viele Jahre habe. Er ſieht uͤbel aus: er ſagt<lb/> ſelbſt, ſein breites Kinn ſtuͤlpe ſich wie ein Biber¬<lb/> ſchwanz empor und der Bader raſier' ihm im Grun¬<lb/> de die halbe Wuͤſte gratis, ſo viel wie zwei Baͤr¬<lb/> te — ſeine Lippen ſind bis zu den Stockzaͤhnen auf¬<lb/> geſchnitten und ſeine kleinen Augen funkeln den<lb/> ganzen Tag. Er ſpaßet auch fuͤr Leute, die nicht<lb/> ſeines Gleichen ſind, viel zu frei“ — —</p><lb/> <p>— Erneſtine ſilhouettiert hier den aͤußern Men¬<lb/> ſchen des Doktors, der wie viele indiſche Baͤume un¬<lb/> ter aͤußern Stacheln und dornigtem Laub die weiche<lb/> koſtbare Frucht des menſchenfreundlichſten Herzens<lb/> verſteckte. Ich werd' ihn aber eben ſo gut zeichnen<lb/> koͤnnen wie die Briefſtellerin. Da Humoriſten wie<lb/> er ſelten ſchoͤn ſind und da mit ihrer Seele auch zu¬<lb/> gleich ihr Geſicht ſich traveſtiert: ſo wuͤrde ja, ſagt'<lb/> er ſelbſt, ſeine ſchoͤnſte Kleidung keinem Menſchen<lb/> etwas nuͤtzen — am allerwenigſten ihm ſelber und<lb/> Schoͤnen — als bloß den Schnitthaͤndlern. Daher<lb/> waren ſeine Montierungsſtuͤcke in zwei Faͤcher ſor¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [14/0050]
Ottomar nach der Schweiz und Italien reiſen,
wie Sie ſchon wiſſen werden. Er ſetzt tolle Strei¬
che durch, wenns wahr iſt was er ſchwoͤrt, daß
dieſes ſeine 21ſte Verkleidung ſei und daß er eben
ſo viele Jahre habe. Er ſieht uͤbel aus: er ſagt
ſelbſt, ſein breites Kinn ſtuͤlpe ſich wie ein Biber¬
ſchwanz empor und der Bader raſier' ihm im Grun¬
de die halbe Wuͤſte gratis, ſo viel wie zwei Baͤr¬
te — ſeine Lippen ſind bis zu den Stockzaͤhnen auf¬
geſchnitten und ſeine kleinen Augen funkeln den
ganzen Tag. Er ſpaßet auch fuͤr Leute, die nicht
ſeines Gleichen ſind, viel zu frei“ — —
— Erneſtine ſilhouettiert hier den aͤußern Men¬
ſchen des Doktors, der wie viele indiſche Baͤume un¬
ter aͤußern Stacheln und dornigtem Laub die weiche
koſtbare Frucht des menſchenfreundlichſten Herzens
verſteckte. Ich werd' ihn aber eben ſo gut zeichnen
koͤnnen wie die Briefſtellerin. Da Humoriſten wie
er ſelten ſchoͤn ſind und da mit ihrer Seele auch zu¬
gleich ihr Geſicht ſich traveſtiert: ſo wuͤrde ja, ſagt'
er ſelbſt, ſeine ſchoͤnſte Kleidung keinem Menſchen
etwas nuͤtzen — am allerwenigſten ihm ſelber und
Schoͤnen — als bloß den Schnitthaͤndlern. Daher
waren ſeine Montierungsſtuͤcke in zwei Faͤcher ſor¬
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/50>, abgerufen am 27.07.2024. |