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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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"Ja, ihr zwei schönen Seelen, ihr findet niemand
"der euch gleichen, der euere Liebe verdienen kann,
"ihr seyd allein -- o Beata, auch Gustav liebet
"dich und sagt es nicht -- wenn du dein schönes
"Herz noch hast, so gieb es ihm, auf der ganzen
"Erde verdient nur er's, gieb es ihm -- du ma¬
"chest ihn und mich glücklich, aber gieb mir kein
"Zeichen wenn du ihn nicht lieben kannst". . . .
. . . . Jetzt ergriff er noch die Hand Gustavs, des¬
sen Gefühle gegen einanderwehende Stürme waren,
und sagte mit aufgerichteten Augen der beglücken¬
den Tugend: "Du unendliches gütiges Wesen! das
"mich zu sich nimmt, schenke diesen zwei Herzen
"alle schöne Tage, die mir vielleicht hier beschie¬
"den waren -- ja nimm sie aus meinem künftigen
"Leben, wenn ich etwan in diesem keine zu erwar¬
"ten hatte". . . . . Hier zog der fallende Körper
die fliegende Seele zurück; ein Tropfen in seinem
Auge verkündigte die schwere Erinnerung an seine
zertrümmerten Tage; drei Herzen bewegten sich
heftig; drei Zungen erstarrten; diese Minute war
zu erhaben für den Gedanken der Liebe -- bloß
die Gefühle der Freundschaft und der andern
Welt waren groß genug für die große Minute. . .

„Ja, ihr zwei ſchoͤnen Seelen, ihr findet niemand
„der euch gleichen, der euere Liebe verdienen kann,
„ihr ſeyd allein — o Beata, auch Guſtav liebet
„dich und ſagt es nicht — wenn du dein ſchoͤnes
„Herz noch haſt, ſo gieb es ihm, auf der ganzen
„Erde verdient nur er's, gieb es ihm — du ma¬
„cheſt ihn und mich gluͤcklich, aber gieb mir kein
„Zeichen wenn du ihn nicht lieben kannſt”. . . .
. . . . Jetzt ergriff er noch die Hand Guſtavs, deſ¬
ſen Gefuͤhle gegen einanderwehende Stuͤrme waren,
und ſagte mit aufgerichteten Augen der begluͤcken¬
den Tugend: „Du unendliches guͤtiges Weſen! das
„mich zu ſich nimmt, ſchenke dieſen zwei Herzen
„alle ſchoͤne Tage, die mir vielleicht hier beſchie¬
„den waren — ja nimm ſie aus meinem kuͤnftigen
„Leben, wenn ich etwan in dieſem keine zu erwar¬
„ten hatte”. . . . . Hier zog der fallende Koͤrper
die fliegende Seele zuruͤck; ein Tropfen in ſeinem
Auge verkuͤndigte die ſchwere Erinnerung an ſeine
zertruͤmmerten Tage; drei Herzen bewegten ſich
heftig; drei Zungen erſtarrten; dieſe Minute war
zu erhaben fuͤr den Gedanken der Liebe — bloß
die Gefuͤhle der Freundſchaft und der andern
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[93/0103] „Ja, ihr zwei ſchoͤnen Seelen, ihr findet niemand „der euch gleichen, der euere Liebe verdienen kann, „ihr ſeyd allein — o Beata, auch Guſtav liebet „dich und ſagt es nicht — wenn du dein ſchoͤnes „Herz noch haſt, ſo gieb es ihm, auf der ganzen „Erde verdient nur er's, gieb es ihm — du ma¬ „cheſt ihn und mich gluͤcklich, aber gieb mir kein „Zeichen wenn du ihn nicht lieben kannſt”. . . . . . . . Jetzt ergriff er noch die Hand Guſtavs, deſ¬ ſen Gefuͤhle gegen einanderwehende Stuͤrme waren, und ſagte mit aufgerichteten Augen der begluͤcken¬ den Tugend: „Du unendliches guͤtiges Weſen! das „mich zu ſich nimmt, ſchenke dieſen zwei Herzen „alle ſchoͤne Tage, die mir vielleicht hier beſchie¬ „den waren — ja nimm ſie aus meinem kuͤnftigen „Leben, wenn ich etwan in dieſem keine zu erwar¬ „ten hatte”. . . . . Hier zog der fallende Koͤrper die fliegende Seele zuruͤck; ein Tropfen in ſeinem Auge verkuͤndigte die ſchwere Erinnerung an ſeine zertruͤmmerten Tage; drei Herzen bewegten ſich heftig; drei Zungen erſtarrten; dieſe Minute war zu erhaben fuͤr den Gedanken der Liebe — bloß die Gefuͤhle der Freundſchaft und der andern Welt waren groß genug fuͤr die große Minute. . .

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/103>, abgerufen am 21.11.2024.