Ich konnte vorhin unter dem Getümmel des Sterbetages die zweite Ursache nicht angeben, die ihn nach Marienhof forttrieb: der Verstorbene hatt' ihn gebeten, es zu machen daß er sein Win¬ terlager für seine Gebeine auf dem Eremitenberg bekäme, den er so oft bestiegen hatte und dessen Szenen uns bekannt sind. Gustav hoft' es von der Residentin auszuwirken, da sie ohnehin selten und nur gewisse Parthien des stillen Landes betrat. Oe¬ fel sagte aber -- am Morgen; wo er ihn bei sei¬ ner Bitte zu Rath zog, -- gerade umgekehrt, wenn ihr um den Park und dessen bauliche Würden zu thun wäre: so müßte sie da etwas mit Lust be¬ graben lassen, weil es den besten englischen Gär¬ ten an Todten und wahren Mausoleen, so sehr fehlte, daß sie bloß nachgemachte Vexier-Mauso¬ leen hätten. Oefel erbot sich einige Verzierungen in einem Geschmack daß sie der Hof goutirte, für das Grabmal zu entwerfen. Gustav war bloß heu¬ te zu weich, ihn heute zum erstenmale zu verach¬ ten. Wie ganz anders hörte die Residentin seiner Bitte und gedrängten Stimme zu, ob er gleich kein Zeichen seines Schmerzes zu geben arbeitete! Wie theilnehmend -- mit einer Mine als legte sie
Ich konnte vorhin unter dem Getuͤmmel des Sterbetages die zweite Urſache nicht angeben, die ihn nach Marienhof forttrieb: der Verſtorbene hatt' ihn gebeten, es zu machen daß er ſein Win¬ terlager fuͤr ſeine Gebeine auf dem Eremitenberg bekaͤme, den er ſo oft beſtiegen hatte und deſſen Szenen uns bekannt ſind. Guſtav hoft' es von der Reſidentin auszuwirken, da ſie ohnehin ſelten und nur gewiſſe Parthien des ſtillen Landes betrat. Oe¬ fel ſagte aber — am Morgen; wo er ihn bei ſei¬ ner Bitte zu Rath zog, — gerade umgekehrt, wenn ihr um den Park und deſſen bauliche Wuͤrden zu thun waͤre: ſo muͤßte ſie da etwas mit Luſt be¬ graben laſſen, weil es den beſten engliſchen Gaͤr¬ ten an Todten und wahren Mauſoleen, ſo ſehr fehlte, daß ſie bloß nachgemachte Vexier-Mauſo¬ leen haͤtten. Oefel erbot ſich einige Verzierungen in einem Geſchmack daß ſie der Hof goutirte, fuͤr das Grabmal zu entwerfen. Guſtav war bloß heu¬ te zu weich, ihn heute zum erſtenmale zu verach¬ ten. Wie ganz anders hoͤrte die Reſidentin ſeiner Bitte und gedraͤngten Stimme zu, ob er gleich kein Zeichen ſeines Schmerzes zu geben arbeitete! Wie theilnehmend — mit einer Mine als legte ſie
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Ich konnte vorhin unter dem Getuͤmmel des
Sterbetages die zweite Urſache nicht angeben, die
ihn nach Marienhof forttrieb: der Verſtorbene
hatt' ihn gebeten, es zu machen daß er ſein Win¬
terlager fuͤr ſeine Gebeine auf dem Eremitenberg
bekaͤme, den er ſo oft beſtiegen hatte und deſſen
Szenen uns bekannt ſind. Guſtav hoft' es von der
Reſidentin auszuwirken, da ſie ohnehin ſelten und
nur gewiſſe Parthien des ſtillen Landes betrat. Oe¬
fel ſagte aber — am Morgen; wo er ihn bei ſei¬
ner Bitte zu Rath zog, — gerade umgekehrt, wenn
ihr um den Park und deſſen bauliche Wuͤrden zu
thun waͤre: ſo muͤßte ſie da etwas mit Luſt be¬
graben laſſen, weil es den beſten engliſchen Gaͤr¬
ten an Todten und wahren Mauſoleen, ſo ſehr
fehlte, daß ſie bloß nachgemachte Vexier-Mauſo¬
leen haͤtten. Oefel erbot ſich einige Verzierungen
in einem Geſchmack daß ſie der Hof goutirte, fuͤr
das Grabmal zu entwerfen. Guſtav war bloß heu¬
te zu weich, ihn heute zum erſtenmale zu verach¬
ten. Wie ganz anders hoͤrte die Reſidentin ſeiner
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/108>, abgerufen am 21.11.2024.
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