habt, ich weiß nicht, welche liebe dahingegangne Gestalt, deren Grab schon so eingesunken ist als sie selbst, ich gleich einem Traume wieder auf ihrer Grabplatte in die Höhe richte und eueren thränen¬ den Augen von neuem zeige und an wieviel Todte ein einziges Grab erinnere!
Verschwundner Amandus! in dem großen brei¬ ten Heer, das das Leben dem feindlichen Tod von Jahrhundert zu Jahrhundert entgegenschickt, gien¬ gest du wenige Schritte mit, er verwundete dich oft und bald; deine Kriegskameraden legten Erde auf deine großen Wunden und auf dein Angesicht -- sie kämpfen fort, sie werden dich von Jahr zu Jahr unter ihrem Kriege mehr vergessen -- in ihre Augen werden Thränen kommen, aber um dich kei¬ ne mehr, sondern um Todte, die erst begraben worden -- und wenn deine Lilien-Mumie sich aus¬ einander gebröckelt hat: so denkt man nicht mehr an dich, bloß der Traum lieset noch deine in den Erdball gemengte Pastel-Gestalt zusammen und schmücket mit ihr im graugewordnen Kopfe deines Gustavs seine hinter dem Leben ruhenden Jugend- Auen, die wie der Venusstern am Himmel des Le¬ bens-Morgens der Morgenstern und am Himmel
habt, ich weiß nicht, welche liebe dahingegangne Geſtalt, deren Grab ſchon ſo eingeſunken iſt als ſie ſelbſt, ich gleich einem Traume wieder auf ihrer Grabplatte in die Hoͤhe richte und eueren thraͤnen¬ den Augen von neuem zeige und an wieviel Todte ein einziges Grab erinnere!
Verſchwundner Amandus! in dem großen brei¬ ten Heer, das das Leben dem feindlichen Tod von Jahrhundert zu Jahrhundert entgegenſchickt, gien¬ geſt du wenige Schritte mit, er verwundete dich oft und bald; deine Kriegskameraden legten Erde auf deine großen Wunden und auf dein Angeſicht — ſie kaͤmpfen fort, ſie werden dich von Jahr zu Jahr unter ihrem Kriege mehr vergeſſen — in ihre Augen werden Thraͤnen kommen, aber um dich kei¬ ne mehr, ſondern um Todte, die erſt begraben worden — und wenn deine Lilien-Mumie ſich aus¬ einander gebroͤckelt hat: ſo denkt man nicht mehr an dich, bloß der Traum lieſet noch deine in den Erdball gemengte Paſtel-Geſtalt zuſammen und ſchmuͤcket mit ihr im graugewordnen Kopfe deines Guſtavs ſeine hinter dem Leben ruhenden Jugend- Auen, die wie der Venusſtern am Himmel des Le¬ bens-Morgens der Morgenſtern und am Himmel
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habt, ich weiß nicht, welche liebe dahingegangne
Geſtalt, deren Grab ſchon ſo eingeſunken iſt als ſie
ſelbſt, ich gleich einem Traume wieder auf ihrer
Grabplatte in die Hoͤhe richte und eueren thraͤnen¬
den Augen von neuem zeige und an wieviel Todte
ein einziges Grab erinnere!
Verſchwundner Amandus! in dem großen brei¬
ten Heer, das das Leben dem feindlichen Tod von
Jahrhundert zu Jahrhundert entgegenſchickt, gien¬
geſt du wenige Schritte mit, er verwundete dich
oft und bald; deine Kriegskameraden legten Erde
auf deine großen Wunden und auf dein Angeſicht
— ſie kaͤmpfen fort, ſie werden dich von Jahr zu
Jahr unter ihrem Kriege mehr vergeſſen — in ihre
Augen werden Thraͤnen kommen, aber um dich kei¬
ne mehr, ſondern um Todte, die erſt begraben
worden — und wenn deine Lilien-Mumie ſich aus¬
einander gebroͤckelt hat: ſo denkt man nicht mehr
an dich, bloß der Traum lieſet noch deine in den
Erdball gemengte Paſtel-Geſtalt zuſammen und
ſchmuͤcket mit ihr im graugewordnen Kopfe deines
Guſtavs ſeine hinter dem Leben ruhenden Jugend-
Auen, die wie der Venusſtern am Himmel des Le¬
bens-Morgens der Morgenſtern und am Himmel
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/112>, abgerufen am 21.11.2024.
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