des Lebens-Abends der Abendstern sind und flim¬ mern und zittern und die Sonne ersetzen . . . . Ich mag nicht zu deiner Seelen-Scheide, zum Leichnam sagen, Amandus! liege sanft: du lagst in ihr nicht sanft; o noch jetzt dauert mich dein unsterbliches Ich, daß es mehr in seinem knappen Nerven- als im weiten Weltgebäude leben mußte, daß es den edeln Blick nicht zu Sonnenkugeln aufheben son¬ dern auf seine quälenden Blutkügelchen einkrüm¬ men und für die große Harmonie des Makrokosmus seltner Wallungen fühlen als für die Disharmonie seines Mikrokosmus! -- Die Kette der Nothwen¬ digkeit schnitt tief in dich ein, nicht bloß ihr Zug, auch ihr Druck führte dir Narben zu . . . . So jämmerlich ist der Lebendige: wie können von ihm die Todten ein Andenken verlangen, da er schon indem er darüber redet ermattet . . . .
Als nun Gustav zu Hause war: setzte er einen Brief an den Doktor auf. Der ringende Kummer, worin dieser sich an die Pyramide gelehnt und ge¬ halten hatte, bewegte ihn unaussprechlich: Gustav fiel ihm an diese zersplitterte wunde Brust und mehr¬ te ihre Schmerzen durch seinen Liebesdruck, indem er ihn im Briefe bat, ihn zum Sohne anzuneh¬ men und sein väterlicher Freund zu werden.
des Lebens-Abends der Abendſtern ſind und flim¬ mern und zittern und die Sonne erſetzen . . . . Ich mag nicht zu deiner Seelen-Scheide, zum Leichnam ſagen, Amandus! liege ſanft: du lagſt in ihr nicht ſanft; o noch jetzt dauert mich dein unſterbliches Ich, daß es mehr in ſeinem knappen Nerven- als im weiten Weltgebaͤude leben mußte, daß es den edeln Blick nicht zu Sonnenkugeln aufheben ſon¬ dern auf ſeine quaͤlenden Blutkuͤgelchen einkruͤm¬ men und fuͤr die große Harmonie des Makrokoſmus ſeltner Wallungen fuͤhlen als fuͤr die Diſharmonie ſeines Mikrokoſmus! — Die Kette der Nothwen¬ digkeit ſchnitt tief in dich ein, nicht bloß ihr Zug, auch ihr Druck fuͤhrte dir Narben zu . . . . So jaͤmmerlich iſt der Lebendige: wie koͤnnen von ihm die Todten ein Andenken verlangen, da er ſchon indem er daruͤber redet ermattet . . . .
Als nun Guſtav zu Hauſe war: ſetzte er einen Brief an den Doktor auf. Der ringende Kummer, worin dieſer ſich an die Pyramide gelehnt und ge¬ halten hatte, bewegte ihn unausſprechlich: Guſtav fiel ihm an dieſe zerſplitterte wunde Bruſt und mehr¬ te ihre Schmerzen durch ſeinen Liebesdruck, indem er ihn im Briefe bat, ihn zum Sohne anzuneh¬ men und ſein vaͤterlicher Freund zu werden.
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des Lebens-Abends der Abendſtern ſind und flim¬
mern und zittern und die Sonne erſetzen . . . . Ich
mag nicht zu deiner Seelen-Scheide, zum Leichnam
ſagen, Amandus! liege ſanft: du lagſt in ihr nicht
ſanft; o noch jetzt dauert mich dein unſterbliches
Ich, daß es mehr in ſeinem knappen Nerven- als
im weiten Weltgebaͤude leben mußte, daß es den
edeln Blick nicht zu Sonnenkugeln aufheben ſon¬
dern auf ſeine quaͤlenden Blutkuͤgelchen einkruͤm¬
men und fuͤr die große Harmonie des Makrokoſmus
ſeltner Wallungen fuͤhlen als fuͤr die Diſharmonie
ſeines Mikrokoſmus! — Die Kette der Nothwen¬
digkeit ſchnitt tief in dich ein, nicht bloß ihr Zug,
auch ihr Druck fuͤhrte dir Narben zu . . . . So
jaͤmmerlich iſt der Lebendige: wie koͤnnen von ihm
die Todten ein Andenken verlangen, da er ſchon
indem er daruͤber redet ermattet . . . .
Als nun Guſtav zu Hauſe war: ſetzte er einen
Brief an den Doktor auf. Der ringende Kummer,
worin dieſer ſich an die Pyramide gelehnt und ge¬
halten hatte, bewegte ihn unausſprechlich: Guſtav
fiel ihm an dieſe zerſplitterte wunde Bruſt und mehr¬
te ihre Schmerzen durch ſeinen Liebesdruck, indem
er ihn im Briefe bat, ihn zum Sohne anzuneh¬
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/113>, abgerufen am 21.05.2024.
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