Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

Wahrhaftig ein Alphabet oder 23 Bogen solt'
ich mit dieser Scene voll zu machen haben; zum
Glück geht sie erst recht an wenn er erwacht und
der Leser ist heute der glücklichste Mann . . .

Sie war jezt schon wie ein Veteran vertrau¬
ter mit der Gefahr und war so gewiß, er würde
nicht erwachen, daß sie es aufhörte zu befürchten
und anfieng zu wünschen. Denn es fiel ihr ein,
"die Nachtluft könnt ihm schädlich seyn" -- es fiel
ihr ferner ein, wie die zwei Freunde so erhaben
neben einander ruhten; und ihr blaues Auge be¬
freiete sich von einem Thautropfen, von welchem
ich nicht weiß, gieng er für das außer der Erde
pochende oder für das in ihr stillstehende Herz her¬
ab. Jezt machte sie ernsthafte Anstallten abzuge¬
hen, um überhaupt in der Entfernung ihn durch
ein Geräusch zu wecken und um ihren Rührungen
ohne Furcht seines Erwachens nachzuhängen. Sie
wollte bloß noch bei ihm vorbeigehen (denn 41/2
Schritte stand sie ab,) weil sie auf der andern
Seite des Berges hinunter muste (sie hätte denn
umkehren wollen.) Sein Lächeln verkündigte im¬
mer größere Entzückungen und sie war freilich be¬
gierig, wie es noch auf seinem Gesichte ablaufen

Wahrhaftig ein Alphabet oder 23 Bogen ſolt'
ich mit dieſer Scene voll zu machen haben; zum
Gluͤck geht ſie erſt recht an wenn er erwacht und
der Leſer iſt heute der gluͤcklichſte Mann . . .

Sie war jezt ſchon wie ein Veteran vertrau¬
ter mit der Gefahr und war ſo gewiß, er wuͤrde
nicht erwachen, daß ſie es aufhoͤrte zu befuͤrchten
und anfieng zu wuͤnſchen. Denn es fiel ihr ein,
„die Nachtluft koͤnnt ihm ſchaͤdlich ſeyn“ — es fiel
ihr ferner ein, wie die zwei Freunde ſo erhaben
neben einander ruhten; und ihr blaues Auge be¬
freiete ſich von einem Thautropfen, von welchem
ich nicht weiß, gieng er fuͤr das außer der Erde
pochende oder fuͤr das in ihr ſtillſtehende Herz her¬
ab. Jezt machte ſie ernſthafte Anſtallten abzuge¬
hen, um uͤberhaupt in der Entfernung ihn durch
ein Geraͤuſch zu wecken und um ihren Ruͤhrungen
ohne Furcht ſeines Erwachens nachzuhaͤngen. Sie
wollte bloß noch bei ihm vorbeigehen (denn
Schritte ſtand ſie ab,) weil ſie auf der andern
Seite des Berges hinunter muſte (ſie haͤtte denn
umkehren wollen.) Sein Laͤcheln verkuͤndigte im¬
mer groͤßere Entzuͤckungen und ſie war freilich be¬
gierig, wie es noch auf ſeinem Geſichte ablaufen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0132" n="122"/>
          <p>Wahrhaftig ein Alphabet oder 23 Bogen &#x017F;olt'<lb/>
ich mit die&#x017F;er Scene voll zu machen haben; zum<lb/>
Glu&#x0364;ck geht &#x017F;ie er&#x017F;t recht an wenn er erwacht und<lb/>
der Le&#x017F;er i&#x017F;t heute der glu&#x0364;cklich&#x017F;te Mann . . .</p><lb/>
          <p>Sie war jezt &#x017F;chon wie ein Veteran vertrau¬<lb/>
ter mit der Gefahr und war &#x017F;o gewiß, er wu&#x0364;rde<lb/>
nicht erwachen, daß &#x017F;ie es aufho&#x0364;rte zu befu&#x0364;rchten<lb/>
und anfieng zu wu&#x0364;n&#x017F;chen. Denn es fiel ihr ein,<lb/>
&#x201E;die Nachtluft ko&#x0364;nnt ihm &#x017F;cha&#x0364;dlich &#x017F;eyn&#x201C; &#x2014; es fiel<lb/>
ihr ferner ein, wie die zwei Freunde &#x017F;o erhaben<lb/>
neben einander ruhten; und ihr blaues Auge be¬<lb/>
freiete &#x017F;ich von einem Thautropfen, von welchem<lb/>
ich nicht weiß, gieng er fu&#x0364;r das außer der Erde<lb/>
pochende oder fu&#x0364;r das in ihr &#x017F;till&#x017F;tehende Herz her¬<lb/>
ab. Jezt machte &#x017F;ie ern&#x017F;thafte An&#x017F;tallten abzuge¬<lb/>
hen, um u&#x0364;berhaupt in der Entfernung ihn durch<lb/>
ein Gera&#x0364;u&#x017F;ch zu wecken und um ihren Ru&#x0364;hrungen<lb/>
ohne Furcht &#x017F;eines Erwachens nachzuha&#x0364;ngen. Sie<lb/>
wollte bloß noch bei ihm vorbeigehen (<choice><sic>den</sic><corr>denn</corr></choice><lb/>
Schritte &#x017F;tand &#x017F;ie ab,) weil &#x017F;ie auf der andern<lb/>
Seite des Berges hinunter <hi rendition="#g">mu&#x017F;te</hi> (&#x017F;ie ha&#x0364;tte denn<lb/>
umkehren <hi rendition="#g">wollen</hi>.) Sein La&#x0364;cheln verku&#x0364;ndigte im¬<lb/>
mer gro&#x0364;ßere Entzu&#x0364;ckungen und &#x017F;ie war freilich be¬<lb/>
gierig, wie es noch auf &#x017F;einem Ge&#x017F;ichte ablaufen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0132] Wahrhaftig ein Alphabet oder 23 Bogen ſolt' ich mit dieſer Scene voll zu machen haben; zum Gluͤck geht ſie erſt recht an wenn er erwacht und der Leſer iſt heute der gluͤcklichſte Mann . . . Sie war jezt ſchon wie ein Veteran vertrau¬ ter mit der Gefahr und war ſo gewiß, er wuͤrde nicht erwachen, daß ſie es aufhoͤrte zu befuͤrchten und anfieng zu wuͤnſchen. Denn es fiel ihr ein, „die Nachtluft koͤnnt ihm ſchaͤdlich ſeyn“ — es fiel ihr ferner ein, wie die zwei Freunde ſo erhaben neben einander ruhten; und ihr blaues Auge be¬ freiete ſich von einem Thautropfen, von welchem ich nicht weiß, gieng er fuͤr das außer der Erde pochende oder fuͤr das in ihr ſtillſtehende Herz her¬ ab. Jezt machte ſie ernſthafte Anſtallten abzuge¬ hen, um uͤberhaupt in der Entfernung ihn durch ein Geraͤuſch zu wecken und um ihren Ruͤhrungen ohne Furcht ſeines Erwachens nachzuhaͤngen. Sie wollte bloß noch bei ihm vorbeigehen (denn 4½ Schritte ſtand ſie ab,) weil ſie auf der andern Seite des Berges hinunter muſte (ſie haͤtte denn umkehren wollen.) Sein Laͤcheln verkuͤndigte im¬ mer groͤßere Entzuͤckungen und ſie war freilich be¬ gierig, wie es noch auf ſeinem Geſichte ablaufen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/132
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/132>, abgerufen am 24.11.2024.