Lorenzodose -- führt ihn ab wie einen Stockknopf und versteckt das fremde Herz so wenig wie das eig¬ ne. Ich gesteh es, daß die Züge solcher Göttin¬ nen aus keinen schlechtern Modellen zusammenge¬ tragen seyn können als die waren, wornach die griechischen Künstler ihre Göttinnen oder die römi¬ schen Maler ihre Madonnen zusammen schufen, und man müßte wenig Weltkenntniß haben, wenn man nicht sähe, daß die Fürstinnen, Herzogin¬ nen etc. in unsern Romanen sicher nicht so gut ge¬ troffen wären, wenn nicht dem Autor an ihrer statt Stuben- und noch schlimmere Mädchen geses¬ sen hätten; und so, indem sich der Verfasser zum Herzog und sein Mädchen zur Fürstin machte, war der Roman fertig und seine Liebe verewigt, wie die der Spinnen, die man gleichfals im Bernstein gepaaret und verewigt antrift. Ich sage das al¬ les, nicht um meinen Gustav zu rechtfertigen son¬ dern nur zu entschuldigen: denn diese Romanschrei¬ ber sollten nur bedenken, daß die angenehme Sit¬ tenrohheit, deren Mangel ich an ihm vergeblich zu bedecken suche, auch bei ihnen fehlen würde, wenn sie so wie er mehr durch Erziehung, Umgang, zu
2. Theil. L
Lorenzodoſe — fuͤhrt ihn ab wie einen Stockknopf und verſteckt das fremde Herz ſo wenig wie das eig¬ ne. Ich geſteh es, daß die Zuͤge ſolcher Goͤttin¬ nen aus keinen ſchlechtern Modellen zuſammenge¬ tragen ſeyn koͤnnen als die waren, wornach die griechiſchen Kuͤnſtler ihre Goͤttinnen oder die roͤmi¬ ſchen Maler ihre Madonnen zuſammen ſchufen, und man muͤßte wenig Weltkenntniß haben, wenn man nicht ſaͤhe, daß die Fuͤrſtinnen, Herzogin¬ nen ꝛc. in unſern Romanen ſicher nicht ſo gut ge¬ troffen waͤren, wenn nicht dem Autor an ihrer ſtatt Stuben- und noch ſchlimmere Maͤdchen geſeſ¬ ſen haͤtten; und ſo, indem ſich der Verfaſſer zum Herzog und ſein Maͤdchen zur Fuͤrſtin machte, war der Roman fertig und ſeine Liebe verewigt, wie die der Spinnen, die man gleichfals im Bernſtein gepaaret und verewigt antrift. Ich ſage das al¬ les, nicht um meinen Guſtav zu rechtfertigen ſon¬ dern nur zu entſchuldigen: denn dieſe Romanſchrei¬ ber ſollten nur bedenken, daß die angenehme Sit¬ tenrohheit, deren Mangel ich an ihm vergeblich zu bedecken ſuche, auch bei ihnen fehlen wuͤrde, wenn ſie ſo wie er mehr durch Erziehung, Umgang, zu
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Lorenzodoſe — fuͤhrt ihn ab wie einen Stockknopf
und verſteckt das fremde Herz ſo wenig wie das eig¬
ne. Ich geſteh es, daß die Zuͤge ſolcher Goͤttin¬
nen aus keinen ſchlechtern Modellen zuſammenge¬
tragen ſeyn koͤnnen als die waren, wornach die
griechiſchen Kuͤnſtler ihre Goͤttinnen oder die roͤmi¬
ſchen Maler ihre Madonnen zuſammen ſchufen,
und man muͤßte wenig Weltkenntniß haben, wenn
man nicht ſaͤhe, daß die Fuͤrſtinnen, Herzogin¬
nen ꝛc. in unſern Romanen ſicher nicht ſo gut ge¬
troffen waͤren, wenn nicht dem Autor an ihrer
ſtatt Stuben- und noch ſchlimmere Maͤdchen geſeſ¬
ſen haͤtten; und ſo, indem ſich der Verfaſſer zum
Herzog und ſein Maͤdchen zur Fuͤrſtin machte, war
der Roman fertig und ſeine Liebe verewigt, wie
die der Spinnen, die man gleichfals im Bernſtein
gepaaret und verewigt antrift. Ich ſage das al¬
les, nicht um meinen Guſtav zu rechtfertigen ſon¬
dern nur zu entſchuldigen: denn dieſe Romanſchrei¬
ber ſollten nur bedenken, daß die angenehme Sit¬
tenrohheit, deren Mangel ich an ihm vergeblich zu
bedecken ſuche, auch bei ihnen fehlen wuͤrde, wenn
ſie ſo wie er mehr durch Erziehung, Umgang, zu
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/171>, abgerufen am 21.11.2024.
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