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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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höre, wem das kostbarste Herz sich geschenket hat,
wie soll ich den Muth behalten, es zu glauben?
-- Wenn ich dieses holde Herz unter so viel guten
und erhöhten Menschen erblicke und dann zu mir
sagen muß, ach ihr alle verdient es nicht:
so sinkt ein freudiges Staunen auf mich, daß es
meiner Seele sich gegeben und ich glaub' es kaum.
Geliebte! tausend waren Deiner würdiger; aber
keiner wäre durch Dich glücklicher geworden als ich
es bin!"


Das Schwerste war jetzt den Brief unter an¬
dern Flügeln als denen einer Brieftaube -- Venus
hieng, wie ich von guter Hand weiß, einen Post¬
zug Brieftauben ihrer Gondel vor -- an Ort und
Stelle zu schaffen. Zu so etwas sah er keine Mög¬
lichkeit, weil er unter allen Möglichkeiten solche
am schwersten sieht. -- Meine Schwester sieht sol¬
che am leichtesten.

-- Es gab sich alles in der Komödienprobe.

Ordentliche Komödien werden nämlich nicht wie
ihre Schwestern, die politischen, aufgeführt ohne
probiert zu seyn. Ich will gern zwischen der Ko¬
mödienprobe und der Komödie einen so schmalen

hoͤre, wem das koſtbarſte Herz ſich geſchenket hat,
wie ſoll ich den Muth behalten, es zu glauben?
— Wenn ich dieſes holde Herz unter ſo viel guten
und erhoͤhten Menſchen erblicke und dann zu mir
ſagen muß, ach ihr alle verdient es nicht:
ſo ſinkt ein freudiges Staunen auf mich, daß es
meiner Seele ſich gegeben und ich glaub' es kaum.
Geliebte! tauſend waren Deiner wuͤrdiger; aber
keiner waͤre durch Dich gluͤcklicher geworden als ich
es bin!“


Das Schwerſte war jetzt den Brief unter an¬
dern Fluͤgeln als denen einer Brieftaube — Venus
hieng, wie ich von guter Hand weiß, einen Poſt¬
zug Brieftauben ihrer Gondel vor — an Ort und
Stelle zu ſchaffen. Zu ſo etwas ſah er keine Moͤg¬
lichkeit, weil er unter allen Moͤglichkeiten ſolche
am ſchwerſten ſieht. — Meine Schweſter ſieht ſol¬
che am leichteſten.

— Es gab ſich alles in der Komoͤdienprobe.

Ordentliche Komoͤdien werden naͤmlich nicht wie
ihre Schweſtern, die politiſchen, aufgefuͤhrt ohne
probiert zu ſeyn. Ich will gern zwiſchen der Ko¬
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[197/0207] hoͤre, wem das koſtbarſte Herz ſich geſchenket hat, wie ſoll ich den Muth behalten, es zu glauben? — Wenn ich dieſes holde Herz unter ſo viel guten und erhoͤhten Menſchen erblicke und dann zu mir ſagen muß, ach ihr alle verdient es nicht: ſo ſinkt ein freudiges Staunen auf mich, daß es meiner Seele ſich gegeben und ich glaub' es kaum. Geliebte! tauſend waren Deiner wuͤrdiger; aber keiner waͤre durch Dich gluͤcklicher geworden als ich es bin!“ Das Schwerſte war jetzt den Brief unter an¬ dern Fluͤgeln als denen einer Brieftaube — Venus hieng, wie ich von guter Hand weiß, einen Poſt¬ zug Brieftauben ihrer Gondel vor — an Ort und Stelle zu ſchaffen. Zu ſo etwas ſah er keine Moͤg¬ lichkeit, weil er unter allen Moͤglichkeiten ſolche am ſchwerſten ſieht. — Meine Schweſter ſieht ſol¬ che am leichteſten. — Es gab ſich alles in der Komoͤdienprobe. Ordentliche Komoͤdien werden naͤmlich nicht wie ihre Schweſtern, die politiſchen, aufgefuͤhrt ohne probiert zu ſeyn. Ich will gern zwiſchen der Ko¬ moͤdienprobe und der Komoͤdie einen ſo ſchmalen

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/207>, abgerufen am 18.05.2024.